Rioghachd nan Eilean - Königreich des Lichts
  5. Zeit der Heilung
 


Kapitel 5: Zeit der Heilung

Soweit Duncan feststellen konnte, war Catherine immer noch bewusstlos.
Wenn sie aufwacht, dachte er, wird sie unerträgliche Schmerzen haben. Irgend jemand sollte dann bei ihr sein. Da er nachher in das Dorf zurück musste, wäre es wohl am Sinnvollsten, wenn Fiona bei ihrer Mutter ausharren würden.
Duncan, der nur schon seit über vierundzwanzig Stunden auf den Beinen war, wurde von Müdigkeit übermannt und schlief auf dem Stuhl auf dem er gerade saß ein. Als er nach einiger Zeit aus dem Schlaf aufschreckte, vernahm er plötzlich ein Geräusch. Er blickte auf und sah, dass Catherine zu weinen begonnen hatte. Dieses leise und bittere Schluchzen berührte ihn zutiefst. Tränen rannen unter ihren geschlossenen Augenlidern hervor. Sie war bewusstlos und doch weinte sie. Das bestätigte seine Vermutung, dass sie unter großen Schmerzen zu leiden hatte.
Duncan vergewisserte sich abermals, dass Catherine auch richtig zugedeckt war. Dabei fiel ihm auf, dass der Doktor die geprellten Rippen mit Baumwollstreifen verbunden hatte. Andere Stellen an ihren Armen und im Gesicht wiesen Rückstände einer Creme auf, die zur Linderung und Kühlung der Wunden aufgetragen worden war.
Sobald Catherine zu sich kam, würde er ihr erneut einen Krug Wasser, welches mit Laudanum versetzt war, einflößen.
Während er wartete, betrachtete er ihr Gesicht. Gott sei dank, war dieses, abgesehen von den derzeitig nicht zu übersehenden Blutergüssen, weites gehend unversehrt geblieben. Sie würde zumindest äußerlich keine bleibenden Spuren zurückbehalten. Ganz anders sah es jedoch mit dem seelischen Wunden aus. Duncan wusste aus eigener schmerzlicher Erfahrung, dass solche Wunden – wenn überhaupt – nur sehr schwer verheilten. Mochten sie von außen auch für keiner mann sichtbar sein, so waren sie dennoch da, tief verschlossen im Inneren des Betroffenen. Nur die Zukunft würde zeigen, inwieweit auch Catherine mit dem in der gestrigen Nacht Erlebten, zurecht kommen würde. Sie war stark, deshalb hoffte er, dass sie irgendwann über die Geschehnisse hinwegkommen würde.

******

Catherine wollte nicht aufwachen. Sie wusste, dass es unangenehm sein würde zu erwachen, und tatsächlich brach der Schmerz mit solcher Wucht über sie herein, dass sie nach Atem ringen musste.
Eine Männerstimme drang wie aus weiter Ferne an ihre Ohren. Diese Stimme sagte immer und immer wieder, dass jetzt alles gut werde würde, dass er dafür sorgen werde, dass niemand ihr wieder etwas zu Leide täte.
"Vertraut mir, Catherine.“ wiederholte der Mann immer wieder.
Sie öffnete die Augen und starrte Duncan MacLeod an.
„Euch vertrauen?“ flüsterte sie. Und sogar diese beiden leise ausgesprochenen Worte ließen sie vor Schmerzen erschauern.
„Ja, Catherine. Vertraut mir. Ich sorge dafür, dass alles wieder in Ordnung kommt. Hier trinkt das.“
Duncan sah neben dem Schmerz auch Misstrauen in ihren Augen aufblitzen. Misstrauen in seiner Eigenschaft als Mann. Er konnte ihr nach der Vergewaltigung und den Misshandlungen durch den Engländer daraus allerdings keinen Vorwurf machen. Trotz allem durfte er im Moment keine Rücksicht nehmen. Äußerst bedachtsam und vorsichtig hob er ihren Kopf an und zwang sie, das mit Laudanum versetzte Wasser zu trinken, bevor er sie wieder auf das Kissen bettete.
„Nein. Versucht jetzt nicht zu sprechen.“ sagte Duncan, als Catherine im Begriff war, etwas zu äußern.
„Wir werden uns später über die Geschehnisse unterhalten. Hört mir im Augenblick nur zu. Der Doktor meint, dass nichts gebrochen ist. Er hat Eure Rippen verbunden. Die Blutergüsse im Gesicht und an den anderen Stellen Eures Körpers wurden mit einer Creme verarztet, die das Abklingen der Wunden fördern soll, und Euer Gesicht soll mit feuchten Tüchern gekühlt werden.“
Ihre Augen waren bereits wieder geschlossen, als es an der Tür klopfte. Eines der Dienstmädchen brachte einen Eimer mit kaltem Wasser und Tüchern.
Als Duncan mit Catherine wieder alleine war, tauchte er eines der Tücher in das Wasser und legte es auf ihr Gesicht. Sie zuckte zusammen, aber Duncan beruhigte sie.
„Haltet still, Catherine. Die Kälte wird den Schmerz ein wenig lindern, ebenso wie das Laudanum, dass ich Euch zu trinken gegeben habe. Bitte macht Euch jetzt keine Sorgen. Ich werde mich um alles kümmern.“
Sie versuchte erneut etwas zu sagen. „Die Kinder.“ hauchte sie.
Duncan, der sein Ohr dicht an ihren Mund halten musste, um etwas zu verstehen, hatte dennoch vernommen, was Catherine geflüstert hatte.
„Mit ihnen ist alles in Ordnung. Fiona kümmert sich um sie.“
Nach dieser Mitteilung sank Catherines Kopf zur Seite und sie fiel erneut in den Schlaf.

Da der Tag inzwischen schon weiter fortgeschritten war, beschloss Duncan, zurück in das Dorf zu reiten. Es lag noch genügend Arbeit vor den Menschen aus Glenmhor, wenn die Häuser in ihren ursprünglichen Zustand versetzt werden sollten. Ehe er das Haus verließ, machte er sich auf den Weg zur Küche, in der Fiona und die Kinder vermutete.

******

Die Haushälterin Mrs. Wilkes bemerkte Duncan sofort, als er in ihrem Heiligtum erschien.
„Guten Morgen, Mr. MacLeod.“ sagte sie. „Kann ich Euch helfen?“
„Ich suche Fiona.“
„Fiona und die Kleinen sind zu den Ställen gegangen.“
„Was machen sie denn dort?“ fragte Duncan verwundert.
„Die Stute dess jungen Herrn wird demnächst fohlen. Er ist schon ganz aufgeregt. Deshalb ist Fiona mit ihm und der kleinen Mary dorthin gegangen. Sie wollten sich überzeugen, dass alles in Ordnung ist.“
„Aha.“ war Duncans einziger Kommentar darauf.
„Und nun, setzt Euch erst einmal.“
„Wie geht es eigentlich, Lady Catherine?“
„Nachdem sie vorhin einmal kurzzeitig aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht war, schläft sie jetzt wieder. Ich habe ihr noch einmal Laudanum gegen die Schmerzen gegeben und ihr Gesicht mit feuchten
Tüchern gekühlt. Offensichtlich muss ich während meiner Wache an ihrem Krankenbett kurz eingenickt sein. Wie spät ist es eigentlich?“
„Es ist gleich zwei Uhr.“
„Du meine Güte.“ entfuhr es Duncan. „Ich hätte schön längst im Dorf sein müssen.“
Bereits als er diese Worte äußerte, schickte er sich an, die Küche zu verlassen.
„Moment, junger Mann.“ kam es da von Mrs. Wilkes.
„Bevor ihr zum Dorf reitet, werdet ihr erst noch etwas essen. Selbst ein so stattlicher und starker Mann wie ihr, kann nicht nur von der Luft leben. Ich lasse Euch hier nicht eher weg, bis ihr etwas zu Euch genommen habt. Es geht doch nicht an, das Gäste des Hauses hier bis zum Umfallen schuften. Lady Catherine wäre damit jedenfalls nicht einverstanden. Und nun setzt Euch mein Junge und langt ordentlich zu.“ sagte die Haushälterin und tischte Duncan ein üppiges Mahl auf, welches unter anderem aus Porrigde, Lammkeulen und diversen anderen Leckereien bestand.
Während sich Duncan das Essen schmecken ließ, redete Mrs. Wilkes unaufhörlich.
Aus ihren Erzählungen konnte er entnehmen, dass sie einen Großteil ihres Lebens in Maclean-House verbracht hatte. Nachdem Catherine Colin Maclean geheiratet hatte, war sie zunächst deren Kammerzofe gewesen. Im Laufe der Jahre hatte man ihr dann die Stellung der Haushälterin übertragen. Einen besonderen Platz in ihrem Herzen nahm jedoch Fiona ein. Die ungestüme und liebliche Fiona, die von ihrem Wesen her, so ganz anders war, als ihre Geschwister, und die die Engländer aus tiefstem Herzen hasste. Der Vater hatte ihr schon recht frühzeitig sowohl den Umgang mit dem Dolch als auch den mit Schwert gelehrt, so dass sie – insbesondere im Umgang mit dem Dolch – ihrem älteren Bruder Kyle, was Fähigkeiten und Fertigkeiten betraf, in Nichts nachstand. Eine für die Zeit eher untypische Ausbildung, aber Colin Maclean hatte darauf bestanden. Auch entgegen den Wünschen seiner Gemahlin hatte er durchgesetzt, dass Fiona die gleiche Ausbildung erhielt, wie sein Erstgeborener Kyle. So konnte sich Fiona in verschiedenen Sprachen, wie dem Englischen, dem Französischen, dem Latein und selbstverständlich auch dem Gälischen verständigen.
Fiona sei, so erzählte ihm Emma Wilkes in ihrem Wesen so ganz anders als ihre Mutter. Sie hatte das Temperament ihres Vaters Colin geerbt. Das ließ sich nun mal nicht leugnen. Trotz allem sei sie sehr verletzlich, merkte die Haushälterin an.
„Passt auf das Mädchen ein wenig auf, mein Junge. Sie ist bei Weitem nicht so hart im Nehmen, wie sich sie immer gibt.“
'Mein Junge' dachte Duncan. Schon lange Zeit hat niemand es gewagt ihn als Jungen zu bezeichnen. Schließlich war er ein erwachsener Mann und zudem noch unsterblich. Aber er mochte die mütterliche Art von Emma Wilkes, erinnerte sie ihn doch an seine eigene Mutter, die er heute noch genauso vermisste, wie damals, als er gezwungen gewesen war, Glenfinnan zu verlassen. Sie war die Einzige gewesen, die weiter zu ihm gehalten und ihn nicht verdammt hatte, als er durch den Vater aus dem Clan verstoßen worden war.
Er war im Jahr 1625 noch einmal nach Glenfinnan zurückgekehrt. Dort hat er seine Mutter am Sterbebett seines Vaters angetroffen. Sie hatte ihm das Clanschwert der MacLeods in die Hand gedrückt. Mit diesem war er dann gegen Kanwulf und seine Schergen ins Gefecht gezogen. Danach hatte er sie nie wieder gesehen. Deshalb rührte ihn wahrscheinlich auch die Art und Weise, wie die ältere Mrs. Wilkes, um sein Wohl besorgt war.
„Mrs. Wilkes“, sagte er „meint ihr, ich könnte noch etwas von dieser leckeren Pastete bekommen?“
„Aber selbstverständlich. Langt nur zu. Ihr werdet Eure Kraft noch brauchen.“

Nachdem Duncan sein Mahl beendet und die Hände gesäubert hatte, schickte er sich an, die Küche zu verlassen. Er entrichtete der Haushälterin seinen Gruß und bedankte sich für das wirklich ausgezeichnete Essen.
Kurzerhand entschloss er sich noch einmal bei Catherine vorbei zuschauen. Da diese jedoch noch immer in tiefem Schlummer lag, machte er sich auf den Weg ins Dorf, denn dort wartete noch jede Menge Arbeit.

******

Catherine Maclean knirschte mit den Zähnen. Der Schmerz durchflutete sie in großen Wellen, und immer, wenn sie glaubte, ihn nicht mehr ertragen zu können, ebbte er ein klein wenig ab. Doch sie wusste, dass er bald zurückkehren würde, immer und immer wieder, und sie wusste auch, dass sie ihm dann wieder wehrlos ausgesetzt war. Sie war allein und saß in der Falle dieses fast unerträglichen Schmerzes. Sie hatte versagt, und dafür musste sie nun mit diesen Qualen büßen, geschweige denn, dass sie jetzt noch in der Lage war, jemandem zu helfen. Die Dorfbewohner hatten sich auf die Clanführung verlassen, aber sie in ihrer Eigenschaft als Ehegattin des Lairds hatte sie dennoch nicht schützen können. Genauso wenig wie sich selbst. Vereinzelte Tränen kullerten aus ihren Augen, als sie darüber nachdachte.
„Bitte, Mama, weine nicht. Hier, trink etwas Wasser. Duncan hat gesagt, dass du wahrscheinlich Durst haben würdest.“
Catherine schlürfte das Wasser mehr denn sie es trank, und verschluckte sich fast daran.
Erst dann kam ihr zu Bewusstsein, dass es Fiona war, die mit ihr gesprochen hatte. Sie hob ihre rechte Hand und schob das Tuch von ihren Augen. Offenbar waren die Schwellungen in ihrem Gesicht ein wenig zurück gegangen.
„Es könnte schlechter sein, Fiona.“ flüsterte sie, um ihrer Tochter die Angst zu nehmen. „Wahrscheinlich sehe ich viel schlimmer aus, als ich mich in Wirklichkeit fühle.“
„Psst, Mama.“ sagte Fiona. "Duncan meinte, dass du bestimmt versuchen würdest, mit mir zu sprechen, und er hat gesagt, dass ich dir Nahe legen soll, still zu sein. Aber er sagte auch, dass ich dir erzählen könne, was passiert ist. In Ordnung? Du musst mir aber versprechen, ganz still liegen zu bleiben. Der Doktor sagte, dass nichts gebrochen ist, du aber schlimme Prellungen sowie Blutergüsse davon getragen hast. Er meinte, dass du in den nächsten Tagen der absoluten Ruhe bedarfst. Hast du verstanden?“
„Ja, mein Kind.“ sagte sie.
"Nachdem dieser Engländer auf dich los gegangen war und ich ihn mit meinem Dolch verletzt hatte, wurde einem anderen Soldaten befohlen, mich in das Esszimmer einzuschließen.
Dieser meinte, dass sich der Captain später um mich kümmern würde. Er hat mich nicht verletzt, so wie dich. Das lag sich aber auch nur daran, dass er durch meine Verkleidung nicht erkannte, was ich in Wirklichkeit bin. Nachdem der Dragoner mit dir fertig war, hat er mich aus meinem Gefängnis befreien lassen. Er war total wütend und hat herum geschrien, dass ich der mißratene Bastard eines Schotten sei, und er dafür sorgen werde, dass wir ausgerottet werden. Und außerdem sagte er, dass er uns alle in die Hölle schicken werde, wo wir seiner Meinung nach hin gehören.
'Oh, Gott.', dachte Catherine und wünschte sich sehnlichst, dass sie sich aufrichten und Fiona in die Arme schließen könnte . Fiona hörte sich so ruhig und so gleichmütig an, und das ängstigte Catherine mehr, als wenn sie in Tränen ausgebrochen wäre.
„Ich habe mit dem Dolch zugestochen, aber das weißt du sicher noch. Ich hatte große Angst um dich, Brian, Mary und all die anderen. Und nachdem mich der Soldat eingesperrt hatte, wusste ich nicht, was ich machen sollte. Durch die verschlossene Tür konnte ich nur Geräusche vernehmen. Aber mir war schon klar, was dieser Bastard dir antun würde. Es tut mir leid, Mama, dass ich dir nicht helfen konnte.“
Von grenzenloser Erleichterung erfasst, vergaß Catherine für einen Moment ihre Schmerzen. Sie war unendlich froh darüber, dass ihren Kindern nichts geschehen war, und betete insgeheim zu Gott, dass wenigstens dem Rest der Familie nichts passiert war.
Catherine, die so mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt war, hörte deshalb auch nicht, wie die Tür geöffnet wurde. Sie bemerkte es erst als sich Fiona umdrehte und deren Gesicht sich aufhellte.

„Ist die aufgewacht?“
„Ja, Duncan. Ich habe ihr gesagt, dass sie still liegen bleiben soll und mit sich reden lassen müsste, wie du es mir aufgetragen hattest.“
„Brian und Mary verlangen nach dir, Fiona. Vielleicht solltest du zu ihnen gehen.“
Fiona warf einen Blick auf ihre Mutter.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte Duncan „ich bleibe bei ihr. Und nun hinfort mit dir, geh zu deinen Geschwistern.“
Nachdem sich die Tür hinter Fiona geschlossen hatte, sagte Duncan zu Catherine: „Kommt, trinkt noch etwas Laudanum.“
„Nein. Bitte nicht mehr. Ich kann dann nicht richtig denken.“
„Das braucht Ihr auch nicht. Benommenheit ist allemal besser, als der Schmerz. Ihr und Eure Familie seit jetzt in Sicherheit, und ich schwöre Euch, dass ich alle beschützen werde, sollte es zu neuen Übergriffen durch die englischen Soldaten kommen. Es gibt also keinen Grund, warum Ihr Euch jetzt sorgen müsstet.“
„Sagt mir, Duncan. Wie geht es den Leuten im Dorf?“
„Wir haben den ganzen Tag gearbeitet, um das Chaos, welches die Engländer hinterlassen haben, zu beseitigen. Nun sind die Häuser – abgesehen von wenigen Ausnahmen - wieder soweit Instand gesetzt, dass man darin wieder wohnen kann. Bei vielen von ihnen waren das Dach bzw. die Dachstühle fast vollständig ausgebrannt. Um diese Schäden zu beseitigen, hat der heutige Tag leider nicht ausgereicht. Wir wollen zusehen, dass wir das Problem in den nächsten Tagen aus der Welt schaffen können, nur brauchen die Männer endlich mal eine längere Pause. Seit vergangener Nacht sind die ununterbrochen im Einsatz.“
„Und was ist mit Euch, Duncan? Ihr dürftet wohl noch länger auf den Beinen sein, als alle anderen. Wie kommt es überhaupt, dass ihr hier in Glenmhor seid?“
„Euer Gatte und Euer Sohn haben mich gebeten, auf meiner Reise nach England mit vorbei zuschauen und Euch Bescheid zu geben, dass erst in vierzehn Tagen mit einer Rückkehr ihrerseits zu rechnen ist.“
„Hat Euch mein Gatte gesagt, weshalb sie die Absicht haben, noch längere Zeit in Bhealaich zu verweilen?“
„Euer Mann nicht, aber Euer Sohn. Kyle hat sich verliebt und möchte seiner Angebeteten noch ein wenig den Hof machen.“
„Die kleine Gillian?“ fragte Catherine.
„Eben diese.“
„Kyle konnte sie als kleines Mädchen überhaupt nicht ausstehen.“
„Sagt mir, Catherine“, wechselte Duncan geschickt das Thema „wäre es nicht ratsamer Euren Ehemann über das hier Vorgefallene zu informieren?“
„Nein, Duncan. Das möchte ich nicht. Colin soll sich nicht auch noch um mich sorgen müssen. Er hat genug, um die Ohren. Ich bitte Euch, ihm nichts von von den Geschehnissen der letzten Nacht zu erzählen. Versprecht ihr mir das?“
„Dieses Versprechen kann ich Euch nur geben, wenn Ihr mir stichhaltige Argumente liefert. Nur dann wäre ich bereit, überhaupt darüber nachzudenken. Warum besteht ihr darauf, dass er nichts von der Angelegenheit erfahren soll?“
„Das kann ich Euch sagen. Ganz offensichtlich weiß der englische König von der Verbindung Colins zu den Jakobiten. Dieser Dragoner, der sich an mir vergangen hat, stellte gezielte Fragen. Das ich ihm diesbezüglich jegliche Antwort verweigerte, war wohl der ausschlaggebende Punkt für ihn, über mich herzufallen. Versteht ihr? Deshalb möchte ich nicht, dass Colin etwas davon erfährt. Er soll wie bisher nach seinen Überzeugungen handeln und sich durch nichts – aber auch gar nichts - von seinem Weg abbringen lassen. Würde ich ihm erzählen, was hier vorgefallen ist, würde er sich umgehend auf den Weg machen, um diesen Engländer ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen.“
„Wisst ihr, dass Fiona ähnliche Gedanken hegt?“
„Das kann ich mir sehr gut vorstellen. In dieser Beziehung ist sie ihrem Vater sehr ähnlich. Das ist das Temperament der Macleans.“ Ein kleines Lächeln zeigte sich auf Catherines Gesicht.
„Wisst Ihr, Duncan, meine Tochter mag so wirken, als könne sie nichts aus der Bahn werfen, aber dem ist nicht so. In ihrer Brust schlägt ein Herz voller Güte. Der Mann, der einmal das Glück haben sollte, sie ehelichen zu dürfen, könnte keine treuere und loyalere Frau an seiner Seite haben.“
Diesem Argument konnte auch Duncan sich nicht verschließen. Wenn Fiona einen Mann lieben sollte, dann würde diese Liebe bedingungslos sein, dessen war er sich sicher.

"In Ordnung, mein Versprechen habt ihr, auch wenn ich unter den gegebenen Umständen immer noch nicht so recht damit einverstanden bin, verstehe ich doch Eure Beweggründe. Denkt ihr Fiona wird ihren Mund halten? Ehrlich gesagt, ist es für mich schwer vorstellbar, dass sie ihrem Vater nichts sagen wird.“ grübelte Duncan.
„Fiona wird tun, was ich ihr sage. Da sie genau wie ihr Vater uneingeschränkt auf Seiten der Rebellion steht, wird sie ihm nichts von den Vorfällen der gestrigen Nacht erzählen. Sie weiß genauso gut wie ich, dass es Colin nur von seinem eingeschlagenen Weg abbringen würde."
„Gut, dann wäre diese Angelegenheit geklärt. Ihr solltet Euch nun aus ausruhen, Catherine. Ich empfehle mich Euch und wünsche eine angenehme Nachtruhe.“ sagte Duncan.
„Das wünsche ich Euch ebenfalls.“

Duncan verließ den Raum, um sich in das ihm zur Verfügung gestellte Gästezimmer zurückzuziehen und endlich einmal – und das nicht nur für wenige Stunden – zu schlafen.

******

Die Tage verstrichen in einer gewissen Monotonie.
Im Dorf schritten die Aufbauarbeiten unaufhaltsam voran und auch Catherines Zustand besserte sich zusehends.
Wie der Doktor vermutet hatte, war die Blutung bereits am Abend nach dem Überfall zum Stillstand gekommen, auch die Blutergüsse waren fast vollständig verblasst. Lediglich die Prellungen an den Rippen verursachten Catherine derzeitig noch ein wenig Probleme. Aber auch das würde vorübergehen.
Tagtäglich waren sowohl Fiona, Mary und Brian als auch Duncan im Gemach der Genesenden anzutreffen.
Bereits nach fünf Tagen war Catherine wieder in der Lage, ihren Pflichten als Hausherrin – wenn auch noch nicht vollständig – nachzukommen.
Alle Bewohner des Hauses freuten sich über die Entwicklung der Dinge. Zeigte es doch, das Catherine ganz eindeutig auf dem Weg der Besserung war.

Die Arbeiten im Dorf waren zehn Tage nach dem stattgefundenen Überfall abgeschlossen. Aus diesem Grund sollte eine kleine Feier stattfinden, an der auch sämtliche Bewohner des Dorfes teilnahmen. Selbst Catherine war im Dorf erschienen. Sie wollte damit kundtun, dass alles wieder in Ordnung war.
Es wurde ein sehr lustiger Nachmittag, an dem getanzt, gesungen und viel gelacht wurde. Alle waren zu Recht stolz auf das Vollbrachte.
Wehmütig beobachtete Duncan, der zusammen mit Catherine auf einer Bank saß, das bunte Treiben. Für ihn bedeutete dies den vorläufigen Abschied von Glenmhor. Er hatte alles in seiner Macht stehende getan. Glenmhor Village erstrahlte wieder in altem Glanz, und auch Catherine hatte sich inzwischen fast vollständig erholt. Nichts – aber auch gar nichts – deutete heute noch auf die Nacht des Überfalls hin.
Da Duncan in England dringende Angelegenheiten erwarteten, hieß das erst einmal Auf Wiedersehen zu sagen. Noch heute würde er sich auf den Weg nach London machen.
„Ihr wirkt so nachdenklich, Duncan.“
„Ihr habt eine gute Beobachtungsgabe, Catherine. Mir ist soeben bewusst geworden, dass meine Arbeit hier getan ist und ich daher keine Veranlassung mehr dazu habe, meine bevorstehende Reise nach England noch weiter hinaus zu schieben. Es liegen wichtige Entscheidungen an, die möglicherweise über das Schicksal von ganz Schottland entscheiden werden. Sie dulden nunmehr keinen Aufschub mehr. So gern ich noch hier in Glenmhor verweilen würde, es geht nicht. Die Pflicht ruft.“
„Ich verstehe.“ meinte Catherine.
„An dieser Stelle möchte ich noch einmal meinen Dank zum Ausdruck bringen. Ihr habt viel für die Menschen hier getan, mehr als ihr hättet tun müssen und dafür danke ich Euch aus tiefstem Herzen.“
„Das ist nicht nötig, Catherine.“
„Doch, dass ist es wohl.“
„Wisst ihr Catherine, irgendwie scheint diese Familie Probleme mit Freundschaftsdiensten zu haben. Mit Eurer Tochter habe ich die gleiche Diskussion auch schon führen müssen.“
Catherine schmunzelte.
„Wisst ihr, Duncan, Ihr ähnelt sehr meinem Colin. Ihr habt Führungsqualitäten und seid immer für andere da. Es gibt wenige Männer Eures Schlages. Ebenso wie mein Gatte wäret ihr ein geeigneter Clanchef.“
Wenn Catherine nur wüsste. dachte Mac. Einst vor sehr langer Zeit war ihm genau dieses Los vorherbestimmt gewesen. Doch mit seiner Wandlung in einen Unsterblichen war all das nicht mehr möglich. Er war verstoßen und verbannt worden, und damit gab es für ihn keine Möglichkeit mehr, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Er wusste bis heute nicht einmal, ob der Clan der MacLeods von Glenfinnan überlebt hatte, da es ja auch immer wieder zu Kleinkriegen der einzelnen Clans untereinander gekommen war.
Er selbst war niemals wieder nach Glenfinnan zurückgekehrt.
Duncan schüttelte die traurigen Gedanken ab. Er schenkte Catherine statt dessen ein Lächeln und sagte zur ihr: "Ich werde mich jetzt auf den Weg machen. Soll ich Euch, Fiona und die Kinder vorher noch an Maclean-House absetzen?“
„Das wird nicht nötig sein. Der Kutscher hat die Anweisung bekommen uns hier gegen sieben Uhr abends abzuholen. Geht nur. Ich weiß, dass vor Euch ein langer und beschwerlicher Weg liegt, wenn ihr nach London reist. Ich wünsche Euch eine gute Reise.“
„Und Euch wünsche ich, dass ihr vollständig genest, Catherine.“
„Ich danke Euch.“
„Grüßt Fiona und die Kleinen von mir. Wenn alles in geordneten Bahnen verläuft, werden wir uns zu Kyles Hochzeit im Sommer wiedersehen. Bis dahin gebt gut auf die Eurigen acht.“
Catherine reichte ihm zum Abschied die Hand.
Diese Geste erwiderte Duncan, in der er der ihm dargebotenen Hand einen Kuss aufhauchte. Dann wandte er sich ohne weitere Worte ab und verschwand in den an MacLean-House angrenzenden Stallungen. Wenig später war Hufgetrappel zu hören, als er auf seinem Rappen gen Wald ritt und somit für längere Zeit aus dem Leben der Macleans verschwinden sollte.

******


Am 15. Juni 1745 heirateten Kyle Maclean und Gillian Farquharson. Es war ein wunderschönes Fest, an dem auch Duncan teilgenommen hatte. Trotz einer zwischenzeitlich stattgefundenen Reise nach Paris, bei der er noch einmal Kontakt zu Charles Edward Stuart aufgenommen hatte, war es ihm gelungen noch rechtzeitig in Glenmhor einzutreffen, um seinem Freund als Trauzeuge zur Seite zu stehen.
Kyle, der nach Aussagen seiner Mutter, schon völlig kopflos wegen der bevorstehenden Trauungszeromonie gewesen war, hatte sich scheinbar nur sehr schwer davon überzeugen lassen, dass Duncan tatsächlich auftauchen würde, und das, obwohl dieser durch einen Boten einen Brief hatte überbringen lasssen, in dem er für besagten Tag sein Kommen angekündigt hatte.
Gillian hatte wirklich ganz bezaubernd ausgesehen, als sie in ihrem hellblauen Kleid in der Kirche auf ihren zukünftigen Gatten wartete. Sie und Kyle waren so ineinander vernarrt, dass sie für den Rest des Tages für niemand anderen mehr einen Blick übrig hatten und sich am frühen Abend als das Fest noch immer in Gang gewesen war, zurückgezogen hatten. Ein klein wenig hatte Duncan die beiden um ihr Glück beneidet. Irgendwo in seinem Innern hoffte er noch immer, dass ihm irgendwann ebenfalls einmal eine solche Liebe beschieden sein möge, wie diese, die Kyle und Gillian miteinander verband. Vermutlich würde das für immer ein Traum bleiben, denn schon allein die Tatsache, dass er unsterblich war, macht die Sache nicht einfacher.

Was niemand zu diesem Zeitpunkt wissen konnte, war die Tatsache, dass es sich bei der Hochzeit von Kyle und Gillian, um die letzte große Feierlichkeit in Glenmhor handeln sollte, denn die ersten dunklen Wolken einer ungewissen Zukunft waren bereits dabei ihre Schatten vorauszuwerfen...

© Norina Becker (Dezember 2008)
 
 
 
 
 
   
 
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