Kapitel 5: Erinnerungen
Conllin Str. 66E. Lincoln 399. Das war kein Projekt, es war die Adresse, die ihm der Kongressabgeordnete Gent 1998 als Treffpunkt genannt hatte. Konnte das möglicherweise ein Verweis auf das Geschehen von 1998 sein? Was sollte ein Anagramm zu der Adresse? Und woher stammte es? Wer hatte es erfunden und warum?
David hörte Schritte und er wusste, dass gleich die Tür aufgehen würde und dass man ihn wieder holen würde. Er schob seine Gedanken bezüglich Lincoln 399 zur Seite und begann sich darauf zu Konzentrieren die bevorstehenden Schmerzen zu unterdrücken.
Die nächsten Wochen, verbrachte David damit, über die Adresse und das Anagramm nachzudenken. Das alles ergab für ihn keinen Sinn. Zwischendurch wurde er immer wieder von Quints Männern geholt und er verlor zunehmend die geistige Kraft all das durchzustehen.
Es zerrte sehr stark an seinen Nerven, ständig diesen unbeschreiblichen Schmerzen ausgesetzt zu sein, zu sterben und wieder zu erwachen. Es war ein Gefühl der Hilflosigkeit, wie er es aus der ersten Zeit, nachdem er unsterblich wurde, kannte.
Er spielte oft mit dem Gedanken einfach aufzugeben. Aber solange er nicht geköpft wurde, konnte er nicht sterben, nicht endgültig. Also versuchte er sich an das zu klammern was er hatte. Was hatte es mit Lincoln 399 auf sich, was hatte ihm Sean Gent vor all den Jahren mitteilen wollen? Was war so wichtig gewesen, das selbst Jahre später die Sache noch nicht erledigt war. Und dann war da natürlich noch etwas, noch ein Grund um hier und jetzt weiterzukämpfen. Alexa. So oder so würde Quint für das Geschehene bezahlen. Aber vielleicht bestand doch noch Hoffnung, ein winziger Funke Hoffung für Alexa. Alexa. Er sah ihr Augen vor sich. Ihr Funkeln. Dann vernahm er ihre Gesichtszüge und das blondbraune Haar, dass ihr durchs Gesicht wehte. Lincoln 399 verließ seine Gedanken. Langsam formte sich der Hintergrund.
August 2005, Boston, USA
David legte den Stapel Dollar-Noten vor sich auf den Tresen.
„Müsste passend sein.“
„Vielen Dank, jetzt gehört es Ihnen. Morgen wird es wie gewünscht zur Halle am Hafen transportiert.“ antworte ein stabiler Mann Mitte 50. Er trug einen grauen Bart, der nur noch Spuren seine ursprünglichen braunen Haarfarbe enthielt. Auch sonst war von seinen braunen Haaren nicht viel übrig geblieben. Er hatte fast ein vollständige Glatze. Nur an den Seiten und am Hinterkopf besaß er noch einen schmalen Haarkranz, der allerdings vollständig ergraut war. Er lächelte David freundlich an, wissend, dass er ein gutes, aber durchaus faires Geschäft gemacht hatte.
„Kann ich es noch meiner Freundin zeigen, Mr. Credi? Sie wartet draußen.“
„Natürlich. Ich führe sie beide hin.“ antwortete sein Gegenüber. David nickte ihm zu, drehte sich um und trat durch die Tür ins Freie. Dort wartete Alexa aufgeregt.
„Kann ich es jetzt sehen?“ fragte sie neugierig.
„Natürlich.“ sagte David blinzelnd. Er wurde von der tief stehenden warmen Sonne geblendet. „Komm mit.“
Er öffnete die Tür, durch die er gerade das Gebäude verlassen hatte und Alexa betrat das Innere. David folgte ihr und wandte sich an ihr vorbei.
„Folgen sie mir, bitte.“ gab ihnen Mr. Credi nach einer kurzen Begrüßung zu verstehen und sie machten sich auf den Weg durch eine große Halle. Alexa bestaunte die Boote und Yachten, die hier eingelagert wurden.
David musste schmunzeln, wusste er doch, was für einen Anblick sie gleich ertragen musste. Nach einigen Metern bogen sie in einen seitlichen Gang ab und folgten diesem bis fast zum Ende. Dann Blieb der bärtige Mann stehen. Und zeigte auf die Yacht vor ihm.
„ Bitte sehr, das ist das Schmuckstück.“ sagte er trocken, drehte sich um und ging wieder.
Alexa riss den Mund auf, wusste aber nichts zu sagen. David lächelte, konnte er sie doch zu gut verstehen. Vor ihm stand auf einem großen Gestell eine 12 Meter lange Yacht, die David soeben gekauft hatte. Alexas Mund wollte selbst nach dem ersten Augenblick nicht so richtig wieder zuklappen. Dann brach es aus ihr heraus:
„Willst du mich verarschen? Das ist ein Schrotthaufen.“ sagte sie entsetzt.
„Nein“ widersprach ihr David ruhig und mit einer Sput Heiterkeit „das ist mein Schrotthaufen, unser Schrotthaufen. Gib mir nur etwas Zeit. Ich mache ein wirkliches Schmuckstück daraus. Vertrau mir.“
„Ich fass es nicht. Schwimmt das Ding?“ fragte Alexa sarkastisch.
„Nach Aussagen von Mr. Credi schon, allerdings wird alles gründlich untersucht. Warte es einfach ab, Schatz.“Er küsste sie auf die Stirn und endlich hörte sie auf die Yacht entsetzt anzustarren.
„Komm, gehen wir.“ sagte er, nahm ihre Hand und sie verließen die riesige Halle.
„Auf Wiedersehen“ rief David durch einen weiteren Korridor in Richtung von Mr. Credi, der daraufhin eine Hand hob.
Sie kamen wieder ins Freie und schlenderten Hand in Hand am Ufer des Charles River entlang, einem der drei Flüsse, die Boston durchziehen, bzw. begrenzen. David atmete die Seeluft ein, die von der Bucht im Südosten herbeiwehte.
„Du bist wirklich verrückt, David“ begann Alexa das Thema „Yacht“ wieder aufzunehmen. „Was meinst du wie viel Arbeit da drin steckt?“
„Sehr viel Arbeit, ich weiß. Aber es wird sich lohnen, du wirst sehen.“ gab er zuversichtlich zurück.
Die letzten Sonnenstrahlen trafen die beiden, dann war die Sonne untergegangen.
„Du wirst die Yacht lieben, das verspreche ich dir. Nächste Woche werde ich mit den Arbeiten beginnen.“
Alexa sagte nichts, aber ihre leicht vorwurfsvolle Miene entspannte sich und ein angenehmes Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Dann nenne ich dich jetzt nur noch CAPTAIN David Fox, von der……hm….Fox I.“
„Fox I?“ David verzog das Gesicht. „Wieso Fox I? Ich baue doch keine Flotte auf?!“ sagte er ungläubig. Alexa Lächeln wurde nun breiter und verwandelte sich in ein Grinsen.
„Ich meine ja nur.“ sagte sie unschuldig, „ich meine ja nur.“ und gab ihm einen Kuss auf den Mund.
David lächelte ansatzweise, als er mit seinen Gedanken an diesem Punkt angelangt war. In der Dunkelheit seines Raumes sah er nach wie vor nur Umrisse.Oh ja, CAPTAIN David Fox, ging es ihm erneut durch den Kopf. Fox I. Alexa hatten einen tollen Sinn für Humor. Alexa….
Das kaum erkennbare Lächeln verflog und sein Blick füllte sich mit Traurigkeit. Sie entwich aus seinem Blick nicht mehr bis er eingeschlafen war.
Er wurde unsanft geweckt, als man ihn wieder holte. 20 Minuten später hing er wieder an der kette; seine Zehen berührten knapp den Boden und er blutete aus mehreren Schnittwunden. Er drohte schon wieder in die Bewusstlosigkeit abzudriften, da hörte er Bruchstücke des Gesprächs zwischen Quint und Nelson.
„Mach weiter bis er redet! Verstanden?“
„Aber Quint, er hat seit vier Monaten kein einziges Wort gesprochen. Ich glaube nicht, dass wir ihn brechen können.“
„Es spielt keine Rolle was DU glaubst. Es ist nur eine Frage der Zeit bis er redet und wir brauchen diese Information. Also mach weiter. Immer weiter.“
David sah, wie Nelson sich von Quint abwandte und zu ihm zurückkam. Er zog eine Pistole aus seinem Schulterholster und richtete sie noch beim Gehen auf David. Dann drückte er ab und David sah Lichter vor seinen Augen aufblitzen und taumeln, als das Geschoss in seinen Oberschenkel eintrat. Zwei weitere Schüsse schnellten durch die Luft. Dann verließen ihn die Kräfte.
Es formte sich wieder eine Umgebung. Ein Schuss peitschte an David vorbei, der hinter einem Fahrzeug hockte und seine Waffe in der Hand hielt.
Februar 1999, Los Angeles, USA
21.33 Uhr
Er gab Matt ein Wink zu Feuern. Kugeln flogen an ihm vorbei. Matt schoss in die Richtung woher die feindlichen Kugeln kamen und David nutzte die Möglichkeit seine unsichere Position zu verlassen. Er ging neben Matt in Deckung.
„Hättest dir wohl doch besser ne Weste umgetan, was?“ sagte Matt etwas spöttisch.
David überging den Spruch.
„Wann ist die Verstärkung hier?“ fragte Matt, während er ein neues Magazin in den Griff der Pistole schob.
„In 5 Minuten.“
„“Verdammt.“ sagte Matt „ wir müssen jetzt etwas unternehmen.“ Er kam aus der Deckung hervor und feuerte. „Gib noch mal Feuerschutz. Jetzt.“ rief David und während Matt das Feuer eröffnete rannte David los.
2 Stunden zuvor
David hatte endlich einen heißen Tipp bekommen, wo sich Adam Grace aufhalten würde. Adam Grace war ein 53 jähriger Geschäftsmann aus Ohio, der vor seiner beruflichen Karriere für mehrere Jahre bei der Armee war, wo seine kriminelle Karriere bereits im Vietnamkrieg begonnen hatte. Obwohl man ihn nie eines Verbrechens überführen konnte wurde er unehrenhaft aus der US-Army entlassen, aber die Kontakte zu seinen Kameraden hielt er aufrecht. Sein späteres Immobiliengeschäft war mäßig erfolgreich, aber eine wunderbare Tarnung für Waffendeals an verschiedenen Orten. Zu dieser Zeit waren seine ehemaligen Kameraden längst Söldner, die keine Fragen stellten, sondern ihre Befehle kommentarlos befolgten und effektiv ausführten.
Mittlerweile waren seine Geschäfte äußert brisant geworden, da er Geheimtechnologie verkaufte. Auch hier nutzte er bestehende Kontakte zum Militär. Dieses war richtig nervös geworden, da Adam Grace offenbar gut über alles informiert war, zu gut.
Schließlich gelang es dem Undercoveragenten Marshall Jefferson besagten Adam Grace aufzuspüren.
Der Plan der ATU sah vor, Grace zu Folgen und seine Käufer mit ihm zusammen hochzunehmen.
David war von der Idee nicht begeistert, da man Grace nie etwas nachweisen konnte. Er war viel zu geschickt. Das hatte er schon seit Jahren immer und immer wieder bewiesen.
David Fox entwarf einen Gegenvorschlag, der Vorsah, nur Grace zu verhaften und nicht die Käufer, da er die ganze Aktion für einen Trick von Grace hielt.
Der Vorschlag wurde abgelehnt und David beschloss mal wieder seinen eigenen Weg zu gehen. Dieser führte ihn und Matt Bernard in den Norden von Los Angeles nach San Fernando. Damit ergab sich als möglicher Fluchtplan für Grace die Flucht mit einem Flugzeug vom Van Nuys Airport.
Die ATU Einsatzteams bereiteten hingegen einen Zugriff am Hafen vor, wo sie Grace erwarteten.David und Matt beobachteten schon eine Weile das mehrgeschossige Haus an der San Fernando Road, als sich endlich etwas tat. Adam Grace und seine Männer verließen das Gebäude durch den Hinterausgang.
„Sie beladen mehrere Kleintransporter.“ sagte Matt, der die Rückseite des Gebäudes beobachtete, über Funk. „Wenn die jetzt noch hier sind…“
„fahren die niemals zum Hafen.“ beendete David den Satz. „Ich hatte recht.“
David zog sein Mobiltelefon aus der Jackentasche und wählte die Nummer der ATU.
„Das sind um die zwanzig Personen. Das schaffen wir nicht alleine.“ hörte er Matt über Funk sagen. David reagierte darauf nicht. Nach dem ersten Klingeln nahm jemand ab.
„Hier ist David Fox, geben sie mir Lee Michaels.“
„Er ist zur Zeit beschäftigt.“ gab die Person am anderen Ende zurück.
„Das ist mir bewusst.“ sagte David leicht verärgert, da ihnen die Zeit davon lief. „Es ist wichtig.“
„Einen Augenblick.“
„Die fahren gleich los, David.“ meldete sich Matt erneut.
„Fox, wo zum Teufel stecken sie und Bernard?“ hörte er Michaels sehr aufgebracht sagen.
„Ich beobachte Grace, wie er gerade mehrere Kleintransporter belädt.“
„Das ist unmöglich, er müsste gleich am Hafen eintreffen.“ erwiderte Michaels ungehalten.
„Darauf würde ich nicht wetten. Wenn Grace jetzt verschwinden will, wird er garantiert ein Flugzeug am Van Nuys Airport besteigen. Machen Sie den Flughafen dicht.“ erklärte David eindringlich. „Sofort.“
„Unsinn! Wo sind Sie?“
„San Fernando. Und Grace ist definitiv hier.“ gab David zurück
„David, sie fahren los. Ich mach mich auf den Weg.“ unterbrach Matt das Telefonat von David.
„In Ordnung, ich beeile mich.“ antworte dieser.
„Was ist das los?“ raunte Michaels Stimme durchs Telefon.
„Sir, Grace und seine Leute brechen auf. Ich nehme jetzt die Verfolgung auf. Machen sie Van Nuys dicht!“ Mit diesen Worten beendete David das Telefongespräch und lief zu seinem Wagen.
Die Fahrt zum Van Nuys Flughafen führte David und Matt über den San Diego Freeway nach Süden. Sie behielten die Kleintransporter-Kolonne im Auge, in dem sie abwechselnd Sichtkontakt hielten. Als sie sich der Ausfahrt näherten, wollte David einen kleinen Vorsprung rausholen.
„Matt, ich behalte die Transporter im Auge. Fahr du vor zum Flughafen, und sag dem Wachpersonal bescheid. Die sollen den verdammten Flughafen schließen.“
„In Ordnung“ antworte sein Partner „ich bin auf dem Weg.“
David sah den Wagen von Matt an ihm unauffällig vorbeiziehen. Er überholte schließlich auch die Transporter-Kolonne. Nun war David alleine hinter den beladenen Transportern und musste doppelt aufpassen, dass man ihn nicht entdeckte. Und das war bei dem wenigen Verkehr nicht gerade einfach. Aber es gelang ihm, zumindest nahm er das an, da sie weiterhin Richtung Flughafen fuhren.
Nach ein paar Minuten klingelte sein Mobiltelefon und David stellte die Verbindung her.
„Ich bin am Flughafen, David. Hier ist kein Wachpersonal. Irgendwas stimmt hier nicht. Ich suche mir ein gutes Versteck.“
„In Ordnung, Matt, wir sind in drei Minuten da.“ David beendete das Gespräch und wählte die Nummer der ATU und lies sich erneut mit Lee Michaels verbinden.
„Was ist da los, Michaels? Matt ist am Flughafen und da ist kein Wachpersonal.“
„Was? Das erklärt, warum wir da niemanden erreichen.“ antwortete Michaels.
„Ist der Flugverkehr eingestellt?“ wollte David wissen.
„Ja um diese Uhrzeit ist in Van Nuys nichts mehr los, trotzdem müsste der Tower jetzt noch besetzt sein.“
„Wann ist die Verstärkung da?“ fragte David.
„Frühestens in 40 Minuten.“
„Das ist viel zu lange. Wie sieht es mit Luftunterstützung aus?“
„Ist angefordert. Wir arbeiten dran. Sie müssen Grace aufhalten.“
„Verstanden!“
Damit beendete David das Gespräch und er musste eine Fahrspur kreuzen um die richtige Ausfahrt noch zu erwischen.
Er schaltete die Scheinwerfer des Wagens aus um nicht aufzufallen, denn jenseits des Freeways war fast niemand mehr unterwegs. Er folgte den Transporten den Roscoe Boulevard entlang in Richtung Westen. Schließlich bogen sie in Richtung Süden auf die Woodley Avenue ab. Diese verlief südlich des Roscoe Boulevard parallel zum Van Nuys Flughafen, der sich nun auf der rechten Seite befand. Nach einem knappen Kilometer hielten die Transporter an. Einer der Insassen öffnete ein großes Tor, das auf das Flughafengelände führte. David bog 150 Meter vorher in eine kleine Seitenstraße, die Byrd Street ab, und hielt auf Höhe des ersten Flughafengebäudes. Er öffnete ein kleines Tor, in dem er das Schloss zerstörte. Dann fuhr er langsam auf das Flughafengelände und beobachtete, wie die Kleintransporter ebenfalls auf das Gelände fuhren. Er nahm sein Handy und erkundigte sich bei der ATU erneut nach der Verstärkung.
„Wo bleibt die Verstärkung, Michaels?“
„Tut mir leid, das dauert noch mindestens 25 Minuten. Das Militär hat auch niemanden in der Gegend. Kampfhubschrauber sind auf dem Weg, aber auch die brauchen noch 20 Minuten.“ sagte Michaels.
„Die sollen sich beeilen.“ David beendete das Gespräch und wählte Matts Nummer.
„Matt, Grace ist jetzt hier.“
„Ja ich sehe sie. Wo bleibt die Verstärkung?“
„Frühestens in 20, 25 Minuten. Wir sind auf uns gestellt. Ich richte wieder die Sprechfunkverbindung ein.“ David stellte seinen Sprechfunk ein und nahm wieder Kontakt zu Matt auf.
„Wo bist du genau?“
„Ich bin auf der Westseite des Flughafens, südlich der Transporter.“ antworte Matt.
„OK, ich bin nordöstlich von dir, an der Südostecke des Hangars hinter den Transportern. Wir sollten ihnen folgen.“
David bog mit dem Wagen um die Ecke und fuhr die südliche Hangarseite entlang. Am Ende des Hangars stellte er den Wagen ab und folgte den Transportern, die nun nach rechts abgebogen waren und parallel zur Piste fuhren, zu Fuß. David konnte erkennen, dass sie langsam auf einen kleineren Hangar zusteuerten, dessen Tor sich nun zur Seite hin öffnete. Eine Militärtransportmaschine wurde langsam aus dem Hangar gezogen und kam direkt vor diesem wieder zum stehen.
Die Transporter hielten an und Grace stieg aus.
David war knapp 100 Meter von dem Flugzeug entfernt und ging zwischen einigen Flughafenfahrzeugen in Deckung.
Matt platzierte sich gute 40 Meter weiter links und hatte eine bessere Deckung.
Was nun?“ fragte er David.
„Wir müssen Zeit schinden.“
„Wir kommen nicht an das Flugzeug ran, ohne gesehen zu werden. Die Landebahn haben die auch um Blick, wir können sie also nicht versperren, ohne gesehen zu werden.“
„Ich würde sagen wir warten einfach noch etwas.“ Schlug David vor.
„Warten?“ fragte Matt irritiert.
„Ja, die sind noch am Beladen und so wie das aussieht dauert das auch noch etwas. Vielleicht haben wir Glück.“
„Ziemlich vage“ meinte Matt.
„Hast du eine bessere Idee?“ konterte David, der für eine bessere Idee wirklich zu haben gewesen wäre. Matts Schweigen deutete David als „Nein“.
Sie gingen in Deckung und beobachteten das Geschehen eine Weile.
Grace’ Handlanger beluden das Flugzeug. Und mittlerweile war ein Großteil der Fracht verladen.
„Wo bleibt die Verstärkung?“ fragte Matt erneut und David konnte seine Anspannung und Nervosität deutlich heraushören.
„Sie müssten in 10 Minuten da sein.“ antworte er.
Davids Blick war noch immer auf das Flugzeug gerichtet und ihm ging genau das durch den Kopf, was Matt ihm in diesem Augenblick über Funk sagte.
„Die Verstärkung wird nicht rechtzeitig hier sein. Das Flugzeug ist jeden Moment vollständig beladen.“
„Ja ich weiß, wir müssen was tun. Wir könnten das Feuer eröffnen und versuchen sie so am Boden zu halten.“
„Das ist doch Irrsinn.“ schnaubte Matt und David wusste dass er recht hatte. Aber sie hatten keine andere Möglichkeit.
Er gab Matt ein Wink zu Feuern, kam dann selbst aus seiner Deckung und eröffnete mit seiner Pistole das Feuer. Der erste Schuss war sehr präzise und schlug in einem Treibstofftank seitlich des offenen Tors ein. Es gab ein mächtige Druckwelle als der Tank explodierte. Eine große Stichflamme breitete sich um den Tank aus und verschlang drei von Grace’ Männern. Vier weitere Männern gingen in Deckung und konnten den Flammen so gerade ausweichen. Die anderen eröffneten nun in Davids Richtung das Feuer. Kugeln flogen an ihm vorbei und er war mit seiner lückenhaften Deckung nicht glücklich. Eine größere Waffe wäre jetzt nicht schlecht, dachte er, lugte rechts an dem Flughafenfahrzeug vorbei und schoss. Einer von Grace’ Männern ging zu Boden.
Matt schoss in die Richtung woher die feindlichen Kugeln kamen und David nutzte die Möglichkeit seine unsichere Position zu verlassen. Er lief los und ging neben Matt in Deckung.
„Hättest dir wohl doch besser ne schusssichere Weste umgetan, was?“ sagte Matt etwas spöttisch.
David überging den Spruch.
„Wann ist die Verstärkung hier?“ fragte Matt, während er ein neues Magazin in den Griff der Pistole schob.„In 5 Minuten.“
“Verdammt.“ sagte David „ wir müssen jetzt etwas unternehmen.“ Er kam aus der Deckung hervor und feuerte. „Gib noch mal Feuerschutz. Jetzt.“ rief David und während Matt das Feuer eröffnete rannte David los. Er näherte sich einem der Transporter öffnete die Fahrertür und erschoss durch die Beifahrerseite einen der Gegner. Und kletterte in den hinteren Bereich des Transporters.
„Ist hinter dem Transporter alles frei?“ fragte er über Funk Matt.
„Ja, was hast du vor?“
„Ich trete die Tür auf, spring aus dem Transporter und laufe zum nächsten. Wir kreisen diese Mistkerle ein!“ erklärte David entschlossen.
„Wir kreisen sie ein? Was? Bist du verrückt?“ Matt war entsetzt und David wollte keine Unsicherheit aufkommen lassen.
„Gib mir Deckung.“
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
Matt feuerte.
David legte den Hebel der hintere Transportertür um trat sie auf und sprang aus dem Transporter heraus.
In dem Augenblick wo er absprang sah er seitlich ein gleißendes Licht von der Seite schnell näher kommen. Ein Teil seiner Feinde hielt die Hände vor Gesicht um nicht vollständig geblendet zu werden.
David lief los, um den nächsten Transporter als Deckung nutzen zu können. Kugeln peitschten knapp an ihm vorbei. Dann nahm er die drei Humvees, High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle, geländegängige Fahrzeuge der US-Army, war, die mit ihren hellen Scheinwerfen für das Licht verantwortlich waren.
Er konnte erkennen wie sich Grace und zwei weitere Männer in den Hangar zurückzogen, als direkt darüber zwei AH-1Z Cobra Kampfhubschrauber der US-Army auftauchten. Die dreiläufige 20mm Kaliber Revolverkanone eröffnete umgehend das Feuer und mehrere von Grace’ Männern gingen zu Boden. Die Hubschrauber flogen einen Bogen. David hatte den nächsten Transporter erreicht und visierte einen Schützen an. Unmittelbar danach ging dieser zu Boden und David rannte los in den Hangar, dorthin wo Grace verschwunden war.
David lief durch das offene Tor ins Innere des Hangars und sah Grace mit seinen Begleitern zur Tür am anderen Ende laufen.
„Stehen bleiben.“ rief er, wissentlich, dass es nicht helfen würde.
Er lief weiter und als sich einer der Männer umdrehte und auf David schoss, konnte er so gerade noch zur Seite hechten und hinter zwei Tonnen in Deckung gehen. Dann erwiderte David das Feuer und der Mann der geschossen hatte ging zu Boden. Nun drehte sich auch der zweite Mann um, kam aber nicht mehr zum Schuss. David war schneller und streckte ihn mit einem gezielten Schuss nieder. Nach zwei weiteren Schüssen neben Grace blieb dieser stehen.
„Keine Bewegung!“ schrie David. „Zeig mir deine Hände und dreh dich langsam um.“
Grace drehte sich langsam.
„Du sollst mir deine Hände zeigen.“ rief David erneut. Grace hielt einen Moment inne drehte sich dann blitzschnell um und schoss auf David. Ein zweiter Schuss, beinahe zur gleichen Zeit fiel und traf Grace genau in die Brust. Dieser sackte sofort zusammen.
David hatte sich in dem Moment, als Grace seine Drehbewegung begann auf den Boden fallen lassen, so dass der Schuss von Grace über ihn hinweg sauste. Da er sich zur Seite hatte fallen lassen, konnte er Grace nach wie vor anvisieren und schoss gezielt auf ihn, als er auf dem Boden gelandet war.
Nun stand er langsam auf, seine Waffe immer noch auf Grace gerichtet. Er schritt vorsichtig auf ihn zu. Grace hatte seine Pistole noch in der Hand, aber er bewegte sich nicht mehr. David schob mit seinem Fuß Grace die Pistole aus der Hand und beugte sich über ihn. Grace atmete nicht mehr. David hingegenatmete einmal durch und richtete sich wieder auf. Er steckte seine Waffe zurück in den Halfter. Plötzlich fielen zwei Schüsse, dann ein weiterer Schuss. Er blickte durch den Hangar und sah einen bewaffneten Mann zu Boden sinken. Sein Blick schweifte umher und David sah, dass Matt am Eingang des Hangars stand, seine Pistole im Anschlag. Beide sahen sich an. Auf einmal spürte David ein stechenden Schmerz in seiner Brust. Er sah hinab. Blut trat aus zwei Wunden aus. Er blickte ungläubig zu Matt hinüber. Der Schmerz wurde größer. Und David wurde es schummerig. Seine Beine fingen an zu zittern. Er ging in die Knie und kippte zur Seite weg. Die Welt um ihn herum drehte sich. Jemand rief seinen Namen. Verschwommen nahm er ein Gesicht vor ihm war. David fiel in eine totale Dunkelheit ohne Chance sich irgendwo festzuhalten. Dass er so sterben würde, hatte er nicht gedacht.
Dann war der Schmerz verschwunden und die Welt wurde pechschwarz.
David atmete tief ein. Er sog die Luft förmlich aus seiner Umgebung ab. Es war ein Gefühl, als wäre das sein erster Atemzug. Seine Lungen füllten sich mit Luft und David schrak hoch, die Augen weit geöffnet. Er atmete schnell. Als erstes sah er Matt zwei Meter von ihm entfernt stehen. Dieser starrte ihn an, völlig bleich im Gesicht. David hustete.
„Was ist los Matt? fragte er verwirrt „Du siehst aus, als hättest du nen Geist gesehen.“ Und drehte sich um, um zu schauen, ob er möglicherweise jemanden hinter ihm anstarrte. Aber da war niemand.
„Alles in Ordnung?“ harkte er nach, da sich Matt noch immer nicht rührte.
„Dddddavid“ stotterte Matt.
„Was ist los mit dir?“ fragte David irritiert.
„Du...“begann Matt und richtete seinen Zeigefinger auf Davids Brust. Dieser sah hinab auf die beiden Löcher in seiner Kleidung. Die Erinnerung traf ihn wie ein Schlag. Auf ihn wurde geschossen. Er fasste hastig mit den Fingern durch die Löcher seiner Kleidung. Da war keine Wunde.
„Was ist passiert?“ fragte er verwirrt Matt.
„Du wurdest angeschossen. Dann bist du zusammengesagt. Du hattest keine Vitalzeichen mehr, hast nicht geatmet. Und nach zwei Minuten, wachst du auf und deine Wunden sind weg. Also bitte erklär du mir was passiert ist.“
David sah Matt ungläubig an. Das konnte doch nicht sein.
„Ich habe keine Ahnung.“ sagte er schließlich.
Vor dem Hangar kamen die Humvees zum stehen. Mehrere Personen kamen zu David und Matt gelaufen.
„Sind sie angeschossen worden? Ich habe gesehen, wie sie nach den Schüssen gefallen sind.“ sagte einer der Soldaten, ein Sanitäter.
David sah hilflos zu Matt. „Es hat nur seine Weste erwischt“ sagte Matt spontan.
„Ja, mir geht’s gut.“ fügte David rasch hinzu.
„Sie tragen doch gar keine Weste.“ harkte der Soldat misstrauisch nach.
„Ich habe sie abgelegt.“ antwortete David, der nur hoffte, das der Sanitäter nicht weiter nachfragen würde.„Soll ich mir das mal anschauen?“
„Nein, danke. Mir geht’s gut.“ versuchte sich David rauszureden.
Der Sanitäter wurde von seine Kameraden am Humvee gerufen. Offensichtlich brauchten sie ihn dort.
David war erleichtert, als der Sanitäter weg war. Er schaute zu Matt hinüber.
„Danke Matt.“
„Wieso ist da keine Wunde? Kannst du mir das erklären?“ fragte dieser neugierig.
„Nein, kann ich nicht. Ich weiß es nicht.“ David konnte sich selbst nicht erklären, was passiert war. Wie konnte er leben? Wieso war er nicht mehr verletzt.
„Lass uns gehen.“ sagte er schließlich zu Matt gewandt.
Die Szenerie verschwand und David schrak hoch. Er war wieder in seiner Zelle.
„Er ist wach.“ Hörte er jemanden draußen sagen und nach wenigen Augenblicken öffnete sich die Tür seiner Zelle und Quints Männer betraten den Raum, die Gewehre im Anschlag. „Es ist wieder so weit.“
