Rioghachd nan Eilean - Königreich des Lichts
  2. Kreuzwege
 

 

Kapitel 2: Kreuzwege

Einen Tag später

Es war ein langer und anstrengender Ritt gewesen, den Duncan und seine Begleiter auf ihrem Weg nach Norden zurücklegen mussten. Die zerklüfteten Felsen und Berge ragten weit in den Himmel hinauf und der Schnee glitzerte in der Wintersonne. Meilenweit war oftmals weder eine Hütte zu sehen, noch war irgendein anderes Indiz zu erkennen, welches darauf hindeutete, dass in diesem Teil des Landes überhaupt Menschen lebten. Doch dann kamen die sie plötzlich wieder in ein Dorf aus dessen Häusern der Rauch der Torffeuer aus den Schornsteinen aufstieg. Dort kamen die Leute herbei, um sie auf das Herzlichste zu begrüßen, und um die Neuigkeiten zu erfragen.
Dies war das Schottland, das Duncan kannte: Raue Berge, eine endlose Wildnis und Menschen, die mehr als gastfreundlich waren.
Am späten Nachmittag machte die kleine Gruppe Rast und wurde von einem Bauern zu einer Mahlzeit, die aus Haferbrot und Blutwurst, dem sogenannten Black Pudding bestand, eingeladen. Die Frau des Bauern saß in der Nähe des Feuers und arbeitete an einem Webstuhl. Vier Kinder sprangen in der Hütte umher. Alle Männer des Gefolges wurden willkommen geheißen und jeder bekam von dem Wenigen, was die Familie entbehren konnte. Sollte diese unter ihrer Armut zu leiden haben, so war ihnen das nicht anzumerken. Bevor die Gruppe ihr Reise fortsetzte, bedankten sich Duncan und Kyles Vater persönlich bei ihrem Gastgeber. Unzählige Entschuldigungen wurden hervorgebracht, bevor der Mann davon überzeugt werden konnte, dass dringende Angelegenheiten auf sie warteten, und sie deshalb daran hinderten, die Nacht in seinem Haus zu verbringen. Als sie sich endlich wieder auf den Weg machen konnten, hatte der Wind an Kraft zugelegt und es begann zu schneien.

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Es sind Männer wie dieser hier, die der Prinz brauchen wird, um Schottland zum Sieg zu führen.“ sagte Duncan zu Kyle bevor sich die Reiterschar in Richtung Bhealaich in Bewegung setzte. „Gute und aufrechte Männer, mit einem eisernen Willen und einem mutigen und tapferen Herzen. Und genauso verhält es sich mit seinen Generälen und Anführern. Unsere Rebellion wird nur so erfolgreich sein, wie die Berater von Charles."
"Damit habt ihr euch also auseinandergesetzt, Duncan" meinte Alasdair MacDonald, das Oberhaupt des MacDonald-Clans.
"Dass musste ich ja zwangsläufig, denn ich bin ja ein Berater seiner Hoheit."

Während des Weiterritts blickte sich Duncan um, und meinte: "Dieses felsige Gelände hier wäre ein idealer Kampfplatz für die Hochländer. Die Männer, die hier geboren und aufgewachsen sind und hier leben, kennen die Vorteile dieses Terrains ebenso wie seine Schwächen. Wenn es uns gelingen sollte, den Kampf hier auszutragen, haben wir eine große Chance zu gewinnen."
"Dies unser aller Wunsch, Duncan. Es wäre schön, wenn endlich wieder ein Stuart auf dem Thron sitzen würde. Aber ich habe bereits mehrere Auseinandersetzungen zwischen den Engländern und den Schotten miterlebt. Schon bei den Aufständen von 1715 und 1719 musste ich mit ansehen, wie groß die Hoffnungen waren, und wie gnadenlos sie am Ende zerstört wurden. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass dies unser letzter Kampf sein wird".
Was sollte Duncan darauf erwidern? Er konnte dem MacDonald schlecht erzählen, dass er selbst bei den letzten beiden Aufständen dabei gewesen war und mit ansehen musste, was seinen Landsleuten nach dem Scheitern derselbigen durch die Engländer widerfahren war. Auch ihm war es bewusst, dass dies wahrscheinlich die letzte Schlacht für die Schotten sein würde. Sollten sie nicht siegreich aus der ganzen Angelegenheit hervorgehen, wäre es wahrscheinlich das Ende für all das wofür Schottland stand, da war sich Duncan ganz sicher.
Zwischenzeitlich waren sie in Bhealaich angekommen. Das Wasser des Loch Beinna Mheadhoin war fast schwarz und aus den Himmel über ihnen rieselten die Schneeflocken herab. In der Ferne waren die Klänge eines Dudelsacks zu hören. Ein trauriger und unheimlich wirkender Klang erfüllte die Umgebung der Burg. Ja, der Dudelsack. Er wurde gespielt, wenn die Schotten feierten, wenn sie einen der ihrigen zu Grabe trugen und wenn sie in den Kampf zogen. Duncan wusste deshalb auch, warum sogar die hartgesottensten Männer bei seinen Klängen zu Tränen gerührt wurden oder andere nach seine Klängen wie die Berserker kämpfen konnten.
Die Männer erreichten wenige Minuten später ihr Reiseziel. Innerhalb der Burg in der großen Halle loderte ein Kaminfeuer und jeder der Angekommenen erhielt einen Becher, welcher mit Whisky gefüllt war.

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Etwa 20 Minuten später stand Duncan vor dem prasselnden Kaminfeuer in der großen Halle der Burg, als er plötzlich die Anwesenheit eines anderen Unsterblichen spürte. Es war der Buzz von Warren Cochrane, den er wahrnahm.
„Welche Informationen hast du für uns, Duncan?“ fragte dieser.
Langsam und bedächtig äußerte sich Mac.
„König Ludwig will sich nicht mehr einmischen. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass er zum jetzigen Zeitpunkt noch bereit ist, den Prinzen zu unterstützen, sei es mit Geldmitteln oder mit einer Armee.“
Daraufhin nahm Cochrane den Brief, der im Laufe des Nachmittags durch einen Boten hier abgegeben worden war und zerknüllte ihn wutentbrannt.
„Noch vor einem Jahr war Ludwig ganz anderer Meinung. Er war nur allzu bereit, die Sache der Stuarts – unsere Sache - zu unterstützen!“
„Die Zeiten ändern sich, Warren. Vor einem Jahr war der französische König auch noch der Meinung, dass ihm Charles von großem Nutzen sein könnte.“ entgegnete Mac.
„Seitdem der Plan einer französischen Invasion in England im vergangenen Jahr verworfen wurde, wird der Prinz am Hof weites gehend ignoriert.“
Cochrane, der sich allmählich in seine Wut hineingesteigert hatte, gab auf Duncans Ansage nur folgendes zurück: „Dann müssen wir eben ohne die Hilfe der Franzosen auskommen. Die Hochländer werden in jedem Fall für Schottland und ihren Prinzen kämpfen.“
„Das ist richtig“, pflichtete Duncan ihm bei „aber wie viele werden es sein?“
Als Cochrane ihn unterbrechen wollte, hob er warnend die Hand. „Auch meine ganze Loyalität gehört dem Prinzen, Warren. Wenn die Zeit gekommen ist, werde auch ich für meinen rechtmäßigen König kämpfen. Genauso wie die vielen anderen Clans der MacDonalds, MacGregors, MacKays, Camerons, Macleans und Farqharsons. Dazu brauchen wir aber Einigkeit unter ihnen. Wir müssen aufhören uns untereinander zu bekriegen. Wir müssen ganz einfach als Einheit kämpfen. Nur dann haben wir eine reelle Chance auf einen Sieg.“ beendete er seine Ausführungen.

„So wie es früher schon gewesen ist. Mögen unsere Wünsche und Hoffnungen sich erfüllen.“ sagte Dougal Farqhuarson ruhig und gefasst. „Wir sollten uns dennoch nichts vormachen. Nicht jedes Clanoberhaupt hier in Schottland wird hinter dem rechtmäßigen König stehen.“
„Da haben Sie wohl Recht, Dougal. Gerade den im Grenzgebiet lebenden Schotten, die durch die Vereinigung von Schottland und England große wirtschaftliche Vorteile genießen, liegt so gut wie überhaupt nichts an einer Wiedereinsetzung des schottischen Königshauses. Von dort werden wir kaum mit Unterstützung rechnen können. Wenn, dann kann Charles nur hier im Hochland mit einem großen Rückhalt rechnen.“ stimmte Duncan dem eben Gesagten zu. „Und nun meine Herren sollten wir uns vielleicht doch etwas angenehmeren Dingen widmen.“

Es wurde noch ein langer Abend. Beim Würfeln und Kartenspielen wurde trotz allem heftig diskutiert. Das Für und Wider einer Rebellion gegen die englische Krone wurden abgewogen. Spät in der Nacht löste sich die Versammlung auf. Die Männer waren zu dem Schluss gekommen, dass man Charles Edward Stuart – sofern er den Weg nach Schottland tatsächlich finden sollte - auf das Tatkräftigste unterstützen würde.

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Nachdem sich die Runde aufgelöst hatte, verweilten Kyle und Duncan noch geraume Zeit im so genannten Rauchsalon. Duncan hatte sich auf den an den Raum angrenzenden Altan zurückgezogen. Sein Blick war nachdenklich in die Ferne gerichtet, so dass er Kyles Anwesenheit nicht sofort bemerkte.
„Was beschäftigt dich, Duncan?“ fragte dieser.
„Hmmh. Was ist? Entschuldige bitte, Kyle. Ich war mit meinen Gedanken weit weg. Was sagtest du gerade?“
„Ich wollte lediglich wissen, worüber du gerade nachdachtest. Dein Gesichtsausdruck deutete daraufhin, dass es sich um ernstere Angelegenheiten handeln könnte.“
„Ich mache mir Gedanken darüber, was wohl geschehen wir, wenn Charles hier in Schottland eintrifft. Wird er von den Schotten als Anführer akzeptiert werden? Und werden sie ihm in den Kampf folgen, wenn es erforderlich sein sollte? Zwar war der Tenor der heutigen Versammlung relativ eindeutig, doch feststeht, dass im Moment nur ein geringer Teil der in Schottland ansässigen Clans bereit ist, für den Prinzen Kopf und Kragen zu riskieren.“ meinte Duncan.
„Nun mach dir nicht so viele Gedanken, Mac. Wie heißt es so schön: Kommt Zeit, kommt Rat. Nimm dir lieber dieses Glas Whisky hier und genieße die Ruhe, die momentan noch herrscht. Über alles andere kann entschieden werden, wenn es soweit ist.“
„Du hast Recht, Kyle. Über die anstehenden Sachen sollten wir uns den Kopf zerbrechen, wenn die Zeit reif dafür ist.“ Er nahm das von Kyle angebotene Glas in die Hand.
„Cheers, mein Freund. Auf ein gutes Gelingen unserer bevorstehenden Rebellion und auf dich und die schöne Gillian.“ grinste er.
Kyle schaute Duncan ungläubig an.
„Dachtest du etwa, die Sache ist mir verborgen geblieben? Die Blicke, die ihr beiden euch den ganzen Tag über zugeworfen habt, sprachen Bände.“
„Mir wahr ehrlich gesagt nicht bewusst, dass es so offensichtlich ist. Aber ich denke, Mac, dass ich mich Hals über Kopf in das Mädchen verliebt habe. Weißt du, ich kenne Gillian schon mein ganzes Leben. Da die beiden Clans schon immer miteinander befreundet waren, gab es immer wieder gegenseitige Besuche. Allerdings hatte ich sie als kleine Nervensäge in Erinnerung. Als wir Kinder waren, verfolgte sie mich auf Schritt und Tritt. Für einen 13jährigen Jungen, der sich zudem für sehr erwachsen hielt, war es damals allerdings zu viel von einer kleinen 6jährigen ständig belauert zu werden. Aber nun, schau sie dir heute an. Sie ist erwachsen geworden, wunderschön und einzigartig. Ihre tiefschwarzen Haare, der elfenbeinfarbene Teint und dieser Mund, der zum Küssen wie geschaffen scheint.“ schwärmte Kyle von seiner gerade entdeckten Liebe.
„Nun lass es erst einmal gut sein, Kyle, dein Loblied auf die Tochter des Farqhuarson zu singen. Sonst kommst du vor lauter Schwärmerei zu nichts anderem mehr.“ sagte Mac und lachte.
„Du hast ja noch einige Tage Zeit, deiner Angebeteten deine Aufwartung zu machen. Für mich wird es aber allmählich Zeit nach England zurückzukehren. Ich habe dort noch einige Dinge zu erledigen. Oberste Priorität hat dabei, alles für Charles Edward Stuarts Aufbruch nach Schottland vorzubereiten. Wenn dies abgeklärt ist, werde ich noch einmal nach Frankreich reisen müssen, schließlich muss der Prinz über die weitere Vorgehensweise informiert werden.
„Würdest du mir bevor du nach London zurückkehrst einen großen Gefallen tun, Duncan?“
„Welchen denn? Sprich.“
„Schau doch bitte in Glenmhor vorbei und gib meiner Mutter Bescheid, dass sie erst in etwa zwei Wochen mit unserer Rückkehr rechnen kann. Da ich gerne noch eine Weile in der Nähe von Gillian verbringen möchte, habe ich Vater gebeten, mir diese Frist zuzugestehen. Ihm kam meine Bitte ebenfalls sehr gelegen, da er und Dougal Farqhuarson schon seit frühester Jugend miteinander befreundet sind. So können sich auch die beiden Väter einmal richtig austauschen, auf die Jagd gehen und ein wenig dem Müßigang fröhnen. Weder Vater noch ich möchten allerdings, d ass sich Mutter über unser langes Ausbleiben Sorgen macht. Deshalb auch meine Bitte an dich.“
„Das tue ich gern, Kyle. Es es ja auch kein Umweg auf meiner Reise in Richtung Süden.“
„Richte ihr doch bitte aus, dass, wenn alles so abläuft, wie ich es mir vorstelle, sie im Sommer eine Schwiegertochter haben wird.“
Kyles Augen strahlten bei dieser Bemerkung.
„Das werde ich tun. Und nun sollte ich mich aber endlich auf den Weg machen.“
„Du willst mitten in der Nacht losreiten? Das ist doch verrückt.“
„Mach dir um mich keine Sorgen. Es ist nicht das erste Mal das ich des Nachtens losreite. Du kannst mir glauben, dass ich genau weiß, was ich tue. Ich bin schon bei wesentlich schlechterem Wetter unterwegs gewesen. Da werden mir diese paar Schneeflocken und der Wind wohl kaum etwas anhaben können.“
„Du musst es wissen. Sei trotzdem vorsichtig. Ich hoffe dich spätestens zu meiner Hochzeit wieder zu sehen.“
„Gib mir Bescheid, wenn es soweit ist. Du weißt ja, wo ich zu erreichen bin. Schicke die Nachricht an mein Stadthaus in London. Auf irgendeine Weise wird sie den Weg zu mir dann schon finden.“
„Mac? Bist du dir hundertprozentig sicher, dass du in dieser Situation nach London zurückkehren willst? Ich meine damit nur folgendes: Du gehörst zu den Hauptiniatoren der bevorstehenden Rebellion. Ich finde es ganz schön gewagt. Durch deine Rückkehr nach London begibst du dich in unmittelbare Nähe des englischen Königs, und das, wo doch jedermann von deiner Verbindung zu den Jakobiten gehört hat. Wie du selbst am Besten weißt, stellt dies in den Augen der Engländer Hochverrat dar.“
„Dies ist mir bekannt, Kyle. Auch dass darauf die Todesstrafe steht. Aber ich kann einfach nicht gegen meine Überzeugungen handeln, und deshalb werde ich auch alles Menschenmögliche tun, um den Thronanspruch des Prinzen zu unterstützen. Das Schicksal Schottlands steht auf dem Spiel, und ich werde den Teufel daran tun, meine Hände in den Schoß zu legen, und dabei zuzusehen, wie die womöglich letzte Chance vorüberzieht, die Schottland in seinem Kampf nach Unabhängigkeit noch geblieben ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich den Schotten nie wieder eine solche Möglichkeit eröffnen wird. Entweder werden wir siegen oder wir gehen unter. Und was das bedeutet, weißt auch du.“ sagte Duncan im Brustton der Überzeugung.
„Pass in jedem Fall auf dich auf, Mac. Du wirst noch gebraucht.“
Da weitere Worte im Moment überflüssig waren, gab Duncan seinem Freund lediglich die Hand. Durch einen festen Händedruck verabschiedeten sich die beiden Männer voneinander. Dann drehte Duncan sich um, bestieg sein Pferd und verschwand im Dunkel der Nacht.

©
Norina Becker (Juli 2008)


 

 
 
   
 
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