Rioghachd nan Eilean - Königreich des Lichts
  18. Preisgabe
 

Kapitel 18: Preisgabe

David erkannte die Space Needle, das Wahrzeichen Seattles, nur schwerlich in einiger Entfernung durch den dichten Regen. Der Regenschleier über der Stadt wurde immer dichter und die Dunkelheit der Nacht tat ihr Übriges, um die Sicht zu verschlechtern. In Gedanken vergraben, den Blick aus dem Fenster gerichtet drehte er den Anhänger, den Ginny hatte mitgehen lassen, unterbewusst in seinen Händen.

Ginny bog an einer Kreuzung ab und lenkte den Wagen in Richtung Süden. Damit entfernten sie sich nun vom Stadtzentrum.

„Wir müssen ihn anrufen.“, durchbrach Ginny das Schweigen.

„Lass uns erstmal herausfinden, was es mit dem Anhänger auf sich hat, bevor wir deinen Bruder anrufen.“, schlug David vor. „Matt hat sich sowieso schon weit aus dem Fenster gelehnt. Wir sollten ihn da nicht unnötig mit reinziehen. Ich sollte ihn da nicht unnötig mit reinziehen. Und dich auch nicht.“ Ginny reagierte empört.

„Ich bin extra hierher geflogen um die zu helfen. Wenn du denkst, dass ich aus den Wagen aussteige, bei diesem Regen, mitten in der Nacht, irgendwo in Seattle, nur weil du...“

„Ist ja schon gut.“, beschwichtigte David. Natürlich hätte er sie nicht einfach am Straßenrand und im Regen stehen lassen, mitten in der Nacht irgendwo in einer fremden Großstadt. Was dachte sie nur über ihn. Er wandte sich wieder dem Anhänger in seinen Händen zu. Mit dem Daumen fuhr er tastend über die Engelsfigur. Der Anhänger bestand aus Metall. Es fühlte sich kalt an, selbst nachdem er ihn nun einige Zeit in den Händen hielt. Die Engelsfigur hatte aufgeschlagene Flügel, ausgehend vom Rücken. Die Arme befanden sich vor dem Körper und die Hände des Engels griffen in die eigene Brust.

David hielt sie ans Seitenfenster, um den Anhänger mit Hilfe der Straßenbeleuchtung besser sehen zu können. Als das nicht den gewünschten Effekt hatte, schaltete er die Innenbeleuchtung des Autos ein. Der Körper des Engels wurde nach unten hin schmaler und die Beine wirkten wie ein langer Stängel. In gewisser Weise erinnerte dieser Teil der Figur an einen am Kreuz hängenden Jesus. Dann fiel David der winzige Spalt am Übergang zwischen Ober- und Unterkörper auf. Der Spalt war so klein, dass er ihn vorher in der schwachen vorbeiziehenden Straßenbeleuchtung nicht bemerkte. Erst die Innenbeleuchtung machte ihn sichtbar.

„Mmh.“, machte David und zog an den Beinen des Engels.

„Was ist?“, fragte Ginny und sah zu ihm rüber. In genau diesem Moment teilte David den Anhänger in zwei Teile.

„Ginnys Blicke wechselten nun zwischen David und der dunklen Straße. David begutachtete die zwei Teile. Der untere Teil, bestehend aus den Beinen des Engels, war hohl. Der Obere Teil brachte am unteren Ende einen Metallstreifen hervor, der zuvor in den Engelsbeinen verborgen war. Die Vorderseite enthielt einen schimmernden Streifen.

„Was ist das?“, fragte Ginny, die nun den Wagen am Straßenrand zum stehen brachte.

„Das ist ein Schlüssel.“

„Ein Schlüssel?“

„Ja, verrückt. Das ist ein digitaler Schlüssel. Der ist über 10 Jahre alt.“ Es gab damals nur eine handvoll Einsatzgebiete. Diese Technik war noch nicht sehr verbreitet.“

„Dann sollten wir doch leicht herausfinden können, woher er stammt.“, schloss Ginny. "Sollen wir jetzt vielleicht Matt anrufen?"

Die Frage erübrigte sich. David hatte bereits sein Mobiltelefon in der Hand und wählte Matts Nummer.

"Bernard.", meldete sich Matt.

"Ich bins, David."

"Hat Ginny dich gefunden?"

"Ja sie ist hier. Hörzu..." Er aktivierte die Freisprecheinrichtung seines Mobiltelefons und legte es zur Seite.

David schilderte Matt in einer schnellen Zusammenfassung was geschehen war und das sie nun den Anhänger hatten.

"Ein Schlüssel?", fragte Matt, als David ihm alles berichtet hatte.

"Ja genau."

"Ein Schlüssel wofür?", konkretisierte Matt seine Frage.

"Genau das sollst du für uns rausfinden. Hörzu Matt, die ATU hier hat garantiert Fragen an uns und so wie ich Jefferson einschätze lässt er mich bereits suchen. Wir können nicht ins Hotel zurück und wir können nicht zu Sarah ins Krankenhaus. Du musst schnell herausfinden, wo 1998 diese Art von Schlüssel eingesetzt wurden. Wir haben immer noch das Flugzug hier, mit dem Ginny gekommen ist. Mit ein bisschen Glück kennen wir unser Ziel, bevor Jefferson das mit dem Flugzeug rausfindet."

"Okay, schick mir ein Foto von dem Schlüssel."

"Ist unterwegs.", antworte David, der bereits das Foto gemacht hatte, als Matt geantwortet hatte.

"Hat der Schlüssel eine Seriennummer?"

David drehte den Schlüssel in seinen Händen. "Nicht das ich wüsste. Ich sehe keine.", antwortet er.

"Okay, ich hab das Foto erhalten. So ich mache mich an die Arbeit. Sobald ich was weiß, melde ich mich bei euch. David? Ihr habt Glück, dass ich noch im Büro bin. "

"Okay, danke." David beendete das Gespräch.

"Fahr los."

Ginny sah ihn fragend an. "Wohin?"

"Wir fahren zum Flughafen. Wie wahrscheinlich ist es schon, dass der Kongressabgeordnete Gent in Seattle ein Schließfach für diesen Schlüssel hat? Ich wette wir müssen nach Los Angeles zurück."

Ginny startete den Wagen und fuhr los. Das Navigationssystem brauchte sie nicht, sie befanden sich bereits auf der 15th Avenue in Richtung Süden. Der Flughafen war ausgeschildert. Nach ein paar hundert Metern bog sie rechts ab in die Lucile Street, die unter dem Highway 5 hindurch zum Airport Way führte, der sie direkt zu dem nördlichen Hangar brachte, in dem das Flugzeug der Antiterroreinheit stand. Das Tor wurde von zwei Wachleuten kontrolliert, die Ginny und David passieren ließen, nachdem Ginny ihren Ausweis vorgezeigt hatte. Der Weg auf dem Flughafengelände, der zum Hangar führte, war gesäumt von Parkplätzen zu beiden Seiten. Die Beleuchtung war nur sehr sparsam, reichte aber, um die Fahrbahn im Blick zu halten.

Als sie den Hangar auf der linken Seite erreichten und schließlich betraten, kam ihnen der Co-Pilot entgegen und begrüßte sie. In dem Hangar war deutlich der Regen draußen zu hören, wie er auf das Dach schepperte. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Co-Piloten, gingen Ginny und David an Bord des fast 18 Meter langen Bombardier Learjet 60 XR und machten es sich auf zwei der vier sich gegenüberliegenden Sitzen auf der Steuerbordseite bequem. Die Piloten würden ca. 5 Minuten brauchen, bevor das Flugzeug startklar war. David und Ginny brauchten nur Bescheid zu sagen. David schloss für einen Moment die Augen. Jetzt hing alles an Matt.

"Alles in Ordnung?" Ginny erkannte Davids Anspannung und die gerunzelte Stirn, obwohl er die Augen geschlossen hatte. David schnaubte. Er öffnete die Augen.

"Nein. Ganz und gar nicht.", sagte er bestimmt.

Ginny warte ab, ob David weiter sprechen würde. Ihr Geduld wurde belohnt.

"Wer mischt hier eigentlich alles mit? Und worum geht es? Anscheinend ist jeder bereit dafür zu töten. Das ist nicht gut. Agenten kidnappen ein Kind. Das Mädchen hat dafür beinahe mit dem Leben bezahlt und vielleicht wird sie es noch. Andere Männer tauchen auf und töten nicht nur den einzig Überlebenden der Angreifer. Nein sie töten auch Polizisten und Bundesagenten."

David stockte und runzelte die Stirn noch stärker als zuvor.

"Aber das ist nicht alles, oder?", sagte Ginny, als sei sich bereits sicher.

David hielt ihrem Blick stand und ihm wurde klar, dass er ihr nichts vormachen konnte.

Dennoch sagte er nichts. Stattdessen wandte er seinen Blick von ihr ab. Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Er hatte Angst, das alles geschehene möglicherweise doch was mit seiner Person zu tun hatte und nicht nur mit den Informationen des Kongressabgeordneten.

"David? David?" Ginnys Stimme klang warm und liebevoll. Das war es auch, was ihn aus seinen Gedanken riss. Die Stimme löste in ihm ein Gefühl der Vertrautheit aus, so wie es auch bei Alexa war.

Ginny stand auf und setzte sich neben ihn.

"Hey. Wir kriegen das schon hin.", sagte sie optimistisch. David konnte nicht erkennen, ob sie von ihrer Aussage wirklich selbst überzeugt war, aber es tat ihm gut, jemanden bei sich zu haben, der hinter ihm stand, auf den er sich absolut verlassen konnte und es tat gut einfach nicht alleine zu sein. Ginny berührte seine Hand, die auf seinem Bein lag, und drückte sie sanft. Ihre Hand war warm und David genoss die Zärtlichkeit, mit der sie ihn berührte. Er spürte ihren Körper an seiner Seite deutlich, da die Armlehne zwischen den Sitzen hochgeklappt war. Für einen Moment schloss er erneut die Augen. Das flaue Gefühl in seinem Magen wich langsam einem anderen Gefühl, das ihn allerdings nicht ruhiger werden lies. Er öffnete die Augen, drehte seinen Kopf und sah Ginny direkt in ihre warmen liebevollen Augen. Ein Lächeln deutete sich auf seinem Mund ab und der Blick zwischen beiden hielt stand. Für ein Moment war es so, als würde das Flugzeug und alles andere um ihn herum von einem schwarzen Loch aufgesogen. Für David war es in diesem Moment nicht mehr existent. Ihm kam es so vor als kannten er und Ginny sich ein Leben lang. Er verspürte den Drang ihr näher zu sein, sie zu küssen. Aber irgendetwas hielt ihn zurück, sagte ihm, dass es nicht richtig war, nicht richtig gegenüber Alexa, nicht richtig gegenüber Ginnys Freund und nicht richtig gegenüber ihrer Vergangenheit. Er kannte Ginny schon als Teenager. Es war nicht nicht richtig und es kehrte ein seltsames Gefühl zurück zu ihm, zusammen mit einem störenden Geräusch. Das schwarze Loch machte offensichtlich Fehler. Das Klingeln in seiner Hosentasche, samt dem Handy, dass das Klingeln verursachte, hatte das schwarze Loch wohl übersehen und riss David zurück ins hier und jetzt. Er streckte sich etwas, um besser ins eine Hosentasche fassen zu können. Ginny lies seine Hand los und David hatte, als er das Gespräch annahm, das Gefühl, das sie von ihm wegrückte. Aber er war sich nicht ganz sicher.

"Fox.", meldete er sich.

"Hier ist Matt. Ich denke ich weiß jetzt wozu der Schlüssel gehört."

David aktivierte die Freisprecheinrichtung seines Handys, so dass auch Ginny mithören konnte.

"Der Schlüssel gehört zu einer gewissen Dekker Security Company - DSC."

David blickte zu Ginny. "Was hab ich gesagt, L.A."

"Die DSC ist ist ein privates Sicherheitsunternehmen im Zentrum von Los Angeles," fuhr Matt fort, "welches sich hauptsächlich der sicheren Verwahrung von Gegenständen, und dem Vertrieb von Sicherheitssystem widmet, aber anscheinend ohne stattliche Aufträge auskommt. DSC hat angeblich ein unknackbares Sicherheitssystem im Bankenbereich entwickelt, welche sich auf Grund der Kosten aber nicht sehr gut verkauft. Dennoch steht das Unternehmen

finanziell gut dar. Mir wollte man zwar nicht bestätigen, ob der digitale Schlüssel zu ihrer Ausstattung gehört, aber ein bisschen Nachforschung hat ergeben, dass die DSC diese Art von Schlüssel entwickelt hat und bereits seit 12 Jahren im Einsatz hat, wenn auch mittlerweile in einer deutlich moderneren Version."

"L.A. also.", fasste David knapp zusammen.

"So siehts aus. Ich hab euch alle relvanten Information auf Ginny PDA geschickt"

"Okay, danke Matt, wir machen uns auf den Weg. Wir werden gegen 6 Uhr früh landen."

"Meldet euch, wenn ihr gelandet seit."

"Machen wir.", bestätigte Ginny.

"Guten Flug." Damit beendete Matt das Gespräch und David klappte sein Handy zu.

Er rappelte sich auf und Schritt nach vorne zum Cockpit und klopfte an die Tür. Ein metallisches Klacken bestätigte ihm, das die Tür entriegelt wurde und er öffnete sie.

 

"Wir müssen nach Los Angeles. Und wir sollten uns etwas aus dem Hauptverkehr raushalten."

"Dann fliegen wir am besten Van Nuys an, Sir.", entgegnete der Kapitän.

"In Ordnung. Nehmen Sie Kontakt zur ATU auf und organisieren Sie uns ein Fahrzeug."

"Ja, Sir."

Als David zu seinem Sitz zurück kam, wartete Ginny mit einem fragenden Blick.

"Dekker Security Company?", fragte sie den PDA in der Hand haltend.

David bestätigte das mit einem Nicken.

"Ja, wir fliegen nach Van Nuys."

 

Als Daniel Clark seinen Wagen mit ausgeschalteten Scheinwerfern zum stehen brachte, erkannte er wie ein Learjet einen Hangar verließ. Er wusste, dass die Zeit zu knapp war. Er würde sie nicht mehr erwischen. Aber er konnte herausfinden wohin der Flug gehen würde. Er schaltete die Scheinwerfer wieder ein und bog um die nächste Ecke. Vor ihm lag die Zufahrt zum Flughafengelände. Mit Hilfe eines NSA Ausweises, passierte er die Kontrolle und fuhr auf direktem Weg zum Tower. Sein Ausweis würde ihm auch hier Zutritt verschaffen.

Kurze Zeit später nahm der Mann mit der rauen Stimme, die Informationen über eine sichere Leitung entgegen.

Jetzt musste Daniel Clark nur noch den nächsten Flieger nehmen und zur Basis zurückkehren. Sein Mission war zwar kein Erfolg, aber seine letzten Informationen hatten dazu geführt, dass nun bekannt war, wohin die Zielperson unterwegs war. Dieses Mal konnte er nicht entkommen. Man würde bereits auf David Fox warten.

 

"Kennst du die Dekker Security Company?", fragte Ginny über das Dröhnen der Triebwerke hinweg. Nachdem der Start des Learjets problemlos verlief, benötigte der Jet nur einige Minuten um die Reiseflughöhe von 30000 Fuss zu erreichen, etwas über 9 km. Die Dunkelheit draußen kam David nicht mehr zu bedrückend vor, nachdem das Kabinenlicht gedämpft wurde. Die Dunkelheit strahlte eine gewisse Ruhe und Ausgewogenheit aus, die David ein wenig entspannen ließ. Nichteinmal das Dröhnen der Triebwerke störte. Er überhörte es einfach, oder hatte sich bereits an das Geräusch gewöhnt. Ganz sicher war er sich nicht. Er blickte auf und ihm wurde bewusst, dass Ginny etwas gesagt hatte.

"Kennst du die Dekker Security Company?", wiederholte sie ihre Frage.

David schüttelte abwesend den Kopf. Der Name sagte ihm gar nichts.

"Alles okay?"

"Ja. Ja sicher."

"Mach mir doch nichts vor. Was ist los David?"

Was los war? So viele Dinge gingen in seinem Kopf vor und er hatte keine Lust darüber zu reden. Er musste erstmal für sich alles ordnen. Aber es wurde von Minute zu Minute schlimmer. Irgendwie schien ihm alles zu entgleiten. David wusste nicht mehr, womit er sich zuerst beschäftigen sollte. Was erwartete ihn bei der DSC? Was waren das für brisante Unterlagen die dort gelagert waren. Werden sie überhaupt dort gelagert? Auf was ist bloß der Abgeordnete Gent gestoßen. Es ist so viel Schreckliches passiert. Alexa, ihre Geschwister und Eltern. So viele Menschen sind bereits wegen dieser Informationen gestorben. Jetzt spielten auch noch Unsterbliche bei der Sache mit. Aber irgendetwas war mit den beiden Kerlen im Hotel nicht in Ordnung gewesen. Sie waren unsterblich, ja, aber doch irgendwie anders. Die Verletzungen schienen ihnen nichts auszumachen. Er konnte es aber nicht genau erfassen. David spürte auf einmal wieder ein flaues Gefühl im Magen. All das brachten seinen Gedanken wieder zu Sarah. Das Mädchen konnte für nichts und jetzt ist nichtmal sicher, ob sie wieder gesund werden wird. Daniel Clark - dieser Name. Wieder machten seine Gedanken einen Sprung. Er sah wieder das Gesicht von Sarah. Er verfluchte sich, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Aber all das sagte auch etwas über ihn aus. Trotz all des Tötens über die Jahre hinweg, war er keine eiskalte Killermaschine geworden. Ihn berührten die Dinge. Immer wieder. Das war gerade der Beweis.

Erschrocken kehrte David aus seiner Gedankenwelt zurück, als er Ginnys Hand auf seiner spürte. Nur mit Mühe konnte er sich davor bewahren erneut in seine Gedankenkonstrukte abzurutschen und über Ginny nachzudenken.

"Hey.", sagte Ginny sanft. "Was ist denn mit dir?"

"Ich kann über nichts nachdenken. Mir geht zu viel gleichzeitig durch den Kopf. Ich bekomme einfach keinen klaren Kopf"

"Mach doch die Augen etwas zu. Wenigstens ein paar Minuten. Entspann dich." Er schloss die Augen und für einen Moment schaffte er es, sein Kopf war tatsächlich frei. Dann berührten ihn die zärtlichen Lippen von Ginny auf seinem Mund. Die Hände glitten über seine Schulter und David gab sich dem Kuss hin. Das war mit Abstand das beste Gefühl, dass er seit zwei Jahren hatte. Der Kuss wurde intensiver und für einen Moment fühlte sich David wie ein Teenager, der zum ersten mal auf eine Weise geküsst wurde, die nichts mit Flüchtigkeit oder reinem Trieb zu tun hatte, sondern vielmehr mit wahrer Kundgabe der Gefühle. Und genau so erwiderte er den Kuss. Ginnys Hand fuhr herab und berührte die Seine.

David erschrak und riss die Augen auf.

"Hey.", sagte Ginny sanft, die ihm noch immer gegenüber saß. "Was ist denn mit dir los. Du warst ja völlig weggetreten."

David sortierte nun im Bruchteil einer Sekunde seine Gedanken.

"Oh man.", brachte er leise hervor und atmete schwer aus.

"Alles klar?"

"Klar ist vielleicht das falsche Wort, aber es geht schon. Ich....ich hab geträumt." Er fuhr sich mit seiner Hand durchs Gesicht. Sein Herzschlag war definitiv beschleunigt.

Er schnaubte. Der Traum würde mit Sicherheit nicht dazu führen, dass er seine Gedanken klarer ordnen konnte.

"Vergiss es. Ich brauche einfach nur etwas Schlaf. Weg mich ne halbe Stunde bevor wir landen."

"In Ordnung." David erkannte an ihrem schwachen Lächeln, dass sie nur widerwillig zustimmte, aber er war dankbar dafür, endlich etwas Ruhe zu finden. Das letzte was er sah, war ihre zu einem Lächeln geformte Lippen, dann schlief er ein.

 

Irgendwo in West Campton, Los Angeles, Kalifornien

Er hasste Poker, aber konnte sich trotzdem nicht von seiner Sucht lösen. Mac Westland, Colonel der US Army A.D., saß an einem runden Tisch mit seinen Jungs und war mal wieder am Gewinnen. Das war wohl der Hauptgrund, warum er seiner Sucht nicht entkommen konnte. Der Erfolg  gab ihm einfach Recht. Der Erfolg treibt einen Menschen an und für Colonel Mac Westland war das lebensnotwendig. Genau wie der Sauerstoff, den er einatmete. Ein Reflex, ein natürlicher Vorgang, eine Selbstverständlichkeit, aber auch ein Zwang. All das traf auch auf seinen Erfolg zu. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst, fehlte ihm der Nervenkitzel und so wechselte er in die private Branche. Das brachte viel mehr Geld und damit interessantere Pokerspiele.

Er breitete die Arme über dem Tisch aus zog seinen Gewinn zu sich. Erneut hatte er seine Kollegen um einige Scheine erleichtert. Er was zufrieden. Genau so musste es laufen. Das einzige, bei dem er noch erfolgreicher war, als beim Poker spielen, waren seine Kampfeinsätze gewesen. Und er hatte alles gemacht, Aufklärung, Geiselbefreiung, Hinterhalte, Attentate. Das meiste davon allerdings nach seiner aktiven Dienstzeit. Die private Branche bot völlig neue Perspektiven, ermöglichte alles. Keine Fragen stellen, sondern Resultate liefern, die Mission erfüllen. Dafür wurde er geboren und dafür würde er auch sterben. Aber nicht heute und nicht jetzt. Jetzt genoss er den Sieg. Er zählte den Gewinn.

In diesem Augenblick klingelte sein Mobiltelefon, dass auf dem Tisch lag. Er hob es hoch und sah die Nummer. Das Pokerspiel war vergessen.

"Das war es Freunde." Mit diesen Worten stand er auf und verließ die Runde.

"Hier Westland, Sir."

"Hallo Colonel.", begrüßte ihn eine raue Stimme. "Sie müssen mir bei einer Sache helfen. Alle relevanten Informationen wurden auf den Server geladen, die Summe bereits überwiesen. Diese Mission läuft sofort an und hat allerhöchste Priorität. Haben sie das verstanden Colonel?"

"Ja, Sir. Was ist mit Ihren Männern?"

"Diesmal nicht. Sie sind zuweit weg. Sie müssen das regeln."

Während er die Anweisung entgegen nahm und bestätigte, loggte er sich bereits über seinen Laptop auf dem Server ein und rief die Daten ab. Er überflog sie kurz, sah eine Flugnummer und die dazugehörigen Daten, Abflugort, Ziel, Uhrzeiten, Transpondercodes, zwei Fotos, von einem Mann und einer jungen Frau und der Hinweis, dass das Paket sein Ziel unter keinen Umständen erreichen durfte.

"General, Sir" meldete sich der Colonel wieder zu Wort, "die Mission ist soeben angelaufen."

"Sehr gut, Colonel. Melden sie sich, wenn die Mission abgeschlossen ist."

"Verstanden, Sir." Damit beendete Colonel Westland das Telefonat und noch bevor er sein Handy in die Hemdtasche gesteckt hatte, drehte er sich der Pokerrunde im Nebenraum zu.

"Sergeant Resto, trommeln Sie Ihre Männer zusammen. Wir haben einen Auftrag. Wir müssen nach Van Nuys."

 

200km nördlich von Los Angeles, Kalifornien in 30000 Fuß Höhe

Als er seine Augen öffnete, war die Umgebung unscharf. Er blinzelte ein paar Mal und allmählich erkannte er die noch verschwommenen Umrisse. Er gluckste kaum hörbar, als er Ginny erblickte. Sie saß ihm gegenüber, mit einem Kopfkissen an die Kabinenwand gelehnt und schlief. Er überlegte, wie sie ihn wohl rechtzeitig wecken wollte, wo sie doch selber schlief, aber gleichzeitig hatte er ein schlechtes Gewissen, dass er sich einfach den Luxus gegönnt hatte zu schlafen, ohne zu fragen, ob sie sich auch erholen wollte. Aber jetzt war es eh zu spät und außerdem hatte sich die Sache erübrigt. Vorsichtig stand er auf. Seine Gelenke

waren ein wenig steif. Man sollte wirklich nicht im sitzen schlafen. Er wankte zwei drei Schritte, dann wurden seine Schritte sicher und er erreichte das Cockpit.

"Wie weit ist es noch?"

"Noch ca. 200 km. Wir beginnen jetzt mit den Vorbereitungen für den Sinkflug. In ungefähr 30 Minuten werden wir landen."

David blickte auf seien Armbanduhr. 05:45 Uhr.

"Okay, danke.", antwortete er. Noch 30 Minuten, dann würden sie sich endlich auf den Weg zur DSC machen und hoffentlich endlich herausfinden um was es eigentlich bei all dem Geschehenen ging. Er kehrte zu den Sitzplätzen zurück. Ginny schlief noch immer und David setzte sich wieder in seinen Sitz. Einen Moment lang studierte er ihr Gesicht. Sie war wirklich wunderschön. Er verdrängte den Gedanken, was ihm im Gegensatz zu vorher auch gelang.

Er versuchte sie behutsam zu wecken und sprach sanft ihren Namen aus. Nach drei Wiederholungen reagierte sie. Verträumte Augen sahen ihn an. Für David war es ein wunderschöner Anblick. Es hatte etwas niedliches und er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

"Was?", fragte sie sie leicht verschlafen und lächelte zurück. Zur gleichen Zeit wurde das Geräusch der Triebwerke deutlich leiser.

"Nichts, wir sind im Landeanflug." Er riskierte einen Blick nach draußen. Es war noch immer dunkel. Von der Backbordseite des Flugzeugs, schimmerte die Dunkelheit nicht mehr ganz so tiefschwarz.

"Gleich geht die Sonne auf.", sagte er, als Ginny sich erhob und die Toilette aufsuchte.

Nach einigen Augenblicken kehrte sei zurück. Sie sah nun wach aus und David vermisste ein kleines bisschen diese verträumten Augen. Leichte Turbulenzen erfassten den Learjet und Ginny suchte am Sitz halt. Schnell setze sie sich wieder hin und schloss den Sicherheitsgurt, während David erneut nach draußen schaute. Obwohl es auf seiner Seite noch immer Dunkel war, erkannte er die schnell vorbeiziehenden Wolken. Sie durchstießen gerade eine Wolkendecke. 

"Konntest du gut schlafen?", fragte Ginny.

"Ja, das hat wirklich gut getan. Ich war fix und fertig."

"Das habe ich gemerkt."

"Ein Wagen sollte für uns bereitstehen.", wechselte David das Thema. "Wir sollten uns direkt auf den Weg machen."

"Ist noch was früh für Frühstück, oder?"

"Hast du denn schon Hunger?"

"Um ehrlich zu sein, ja. Wir haben gestern nichts mehr gegessen.", antwortete Ginny. David erkannte die Unsicherheit. Sie wusste wirklich wie dringend die Sache für ihn war. Aber an einem Frühstück sollte die Sache nicht scheitern.

Das Flugzeug vollzog nun eine Rechtskurve und David erkannte das vereinzelte schwache Sonnenstrahlen von Osten die Landschaft unter ihnen berührten. David konnte nun die ersten Details erkennen. Häuser, Straßen, vereinzelt Autos.

"Danke, dass du da bist.", sagte er plötzlich, selbst von Seiten Worten überrascht. Ginny schenkte ihm erneut ein Lächeln, sagte aber nichts.

"Daniel Clark.", sagte David, als er erkannte, dass sie nichts sagen würde. Er wollte es für sich behalten, es brachte Ginny gefährlich Nahe an sein Geheimnis heran. Aber sie riskierte durchaus einiges. Und sie riskierte es für ihn. Er war es ihr schuldig und das wusste er.

Jetzt sah Ginny ihn neugierig an. Ihre Hand blieb an ihrem rechten Ohr, hinter dass sie so eben die Haare gestrichen hatte.

"Einer der Angreifer im Hotel, einer der zwei die das Zimmer gestürmt haben, als ich mit der ATU dort war, heißt Daniel Clark."

"Du kennst ihn?" Eine Mischung aus Unglaube und Neugier prägten ihre Stimme.

"Ich weiß es nicht. Er stand da und mir fiel sein Name ein. Ich habe keine Ahnung, woher ich seinen Namen kenne. Er war einfach da.", sagte David, der nun nachdenklich klang. Er war froh, dass sich keine Unsicherheit in die Stimme mischte.

"Bist du dir sicher?"

"Ja, absolut. Aber er hat gar nicht darauf reagiert. Überhaupt haben beide keinerlei Reaktion auf Versuche einer Kontaktaufnahme gezeigt. Sie haben wie Maschinen agiert. Kalt und präzise. Das ergibt doch keinen Sinn. Hier kämpft jeder gegen jeden und ich stecke zwischen den Fronten, weiß nicht was da passiert." David blinzelte bei dem letzten Wort, weil er vom Sonnenlicht, das sich auf der linken Tragfläche spiegelte, geblendet wurde. Die Häuser unter ihnen wurden nun größer.

"Wir leiten jetzt den Endflug auf Van Nuys ein.", gab der Pilot per Durchsage bekannt. David zog seine Tasche zu sich heran und kramte darin rum. Er suchte den Schlüssel. Die Tasche fiel ihm fast vom Schoß, als es einen lauten Knall gab und das Flugzeug einen Ruck machte. David konnte seine Tasche so gerade eben festhalten. Aus dem Cockpit ertönten eine Vielzahl von Alarmsignalen und das Flugzeug neigte sich auf die linke Seite. David sah, wie sich Ginny krampfhaft an den Armlehnen festklammerte. Die Schwerkraft zog an ihnen beiden, alles vibrierte und wackelte.

"Halten sie sich fest.", ertönte eine Stimme aus dem Cockpit. "Irgendetwas hat die Triebwerke des Flugzeugs getroffen. Wir schaffen es nicht bis zum Flughafen. Wir gehen runter." David zog seinen Sicherheitsgurt enger. Ginny tat es ihm gleich. Angst trat in ihr Gesicht und David war sich sicher, das er nicht besser aussah. Er riskierte einen Blick aus dem Fenster und erschrak. Die Landschaft unter ihnen kam ziemlich schnell näher. Wieder schwenkte das Flugzeug nach links und nahm David damit den Blick auf den Boden. Jetzt ragten Berge neben ihm auf, die ebenfalls verdammt schnell größer wurden. Ein weiterer Ruck ging durch das Flugzeug und lies Davids Gesicht gegen die Scheibe krachen. Gleichzeitig durchzog ein grässliches Geräusch das Flugzeug. Es klang wie Metall, das strapaziert wurde und lies David nichts Gutes ahnen. Häuser rasten unten Ihnen vorbei. Wenn sie tatsächlich hier abstürzen würden, gäbe es eine Menge Opfer. Er überlegte fieberhaft wo sie waren. Die Berge, die er gesehen hatte konnten nur die Berge nördlich von Los Angeles sein. wenn sie es nicht bis zum Flughafen schafften, konnten sie nur in Wohngebieten oder in der Berglandschaft notlanden. Aber das wäre keine Notlandung mehr. In dem Moment wusste er, dass sie es nicht schaffen würden. Wenn es ein Angriff war, dann war es perfekt. Sie konnten nicht entkommen. Er sah Ginny an und erkannte, dass er nichts sagen brauchte. Sie erkannte es an seinen Augen, das war ihm klar. Das Unerträgliche daran war, dass er wieder zum Leben erwachen würde, während Ginny....Er konnte den Gedanken nicht zu Ende denken. Es war seine Schuld. Schon wieder.

Noch einmal neigte sich die Maschine zur linken Seite. Sie versuchten also wirklich den Flughafen zu erreichen. David wusste, dass da unten nur Häuser standen und...er hielt inne und blickte nach draußen. Er fragte sich wo sie waren. Bäume. Er sah Bäume.

"Festhalten! Festhalten! Festhalten!", brüllte der Pilot aus dem Cockpit. Unmittelbar darauf durchlief ein harter Stoß das Flugzeug. Metall knirschte und David wurde in seinem Sitz hin und her gerissen. Ginny konnte er nicht mehr sehen. Den lauten Knall nahm er nur am Rande war. Es spürte Wärme und fragte sich was das ist. Es krachte, ein Windstoß traf ihn, als ein Teil der Kabinenwand weg riss. Mit einem lauten Knirschen brach sein Sitz weg und es wurde dunkel um ihn herum. So endete es also. Ginny. Das waren seine letzten Gedanken.



 

 

 
 
   
 
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