David stand auf und stellte seinen Kaffeebecher auf den kleinen Tisch vor ihm. Normaler Weise war er kein Kaffeetrinker, aber er wollte einen klaren Kopf kriegen und wach bleiben. Außerdem tat die Wärme in seinem Magen gut. Als er von seinem Becher aufblickte trafen seine Blicke die kahlen Wände des Krankenhausflurs. Sarah hatte man in einen Behandlungsraum irgendwo am Ende des Flures zu seiner Linken gebracht. Eine Krankenschwester eilte an ihm vorbei, genau in die Richtung, wo Sarah lag, aber sie bog vorher ab und verschwand in einem anderen Behandlungsraum. Eine Person, ein Mann wie David erkannte, wurde auf einem Behandlungsbett an ihm vorbei geschoben. Die Ärzte holten gerade Informationen über den Zustand des Patienten bei den begleitenden Sanitätern ein. Davids Blick folgte der kleine Gruppe auf den Weg in den Behandlungsraum, in dem die Schwester zuvor verschwunden war. Als sie außer Sicht waren, blieb Davids Blick an den grauen Wänden hängen. Diese verdammte Eintönigkeit hier im Wartebereich. Dazu kam diese gottverdammte Ruhe, die nur vereinzelt von vorbeilaufenden Schwestern oder Ärzten unterbrochen wurde.
Die einzigen anderen Geräusche kamen vom Ende des Flures. Dort am Ende lag die Notaufnahme. Entsprechend herrschte dort mehr Hektik und mehr Leben. Langsam ging David den Flur entlang. Mehr Leben? David hatte für seinen eigenen Gedanken nur Spott übrig. In den letzten 30 Minuten konnte er kaum still sitzen. Oberwohl er wusste, dass es nicht stimmte, gab er sich die Schuld für das, was mit Sarah passiert war. Nur mit Mühe konnte er die aufkeimenden Tränen unterdrücken. Die Schuldgefühle vermengten sich mit Wut und er wusste nur zu gut, dass er genau die Gefühle auch von Sarahs Großeltern, Mr. und Mrs. Lupo zu spüren bekommen würde. Noch waren sie nicht im Krankenhaus eingetroffen, aber lange konnte es nicht mehr dauern.
Was sollte er ihnen sagen? Das er ihrer Enkelin nicht helfen konnte, dass sie aus dem fünften Stock in ein Schwimmbecken gestürzt ist und dass das Wasser aus dieser Höhe hart wie Beton sein konnte? Er wusste es nicht. Im Augenblick wusste er gar nichts.
Er hatte Alexa auf so brutale Weise verloren und er wollte nicht, dass sich so etwas jemals wiederholte. So oder so. Sarah war aufgrund der Fremdeinwirkung vom Balkon gestürzt. Ob sie nun gestoßen wurde, oder ob sie abgerutscht war, weil sie in die Enge getrieben wurde spielte keine Rolle. Das einzige, was eine Rolle spielte, war die Tatsache, dass er Sarah nicht hatte beschützen können und dass die Ärzte schon sein über einer halben Stunde um das Leben des Mädchens kämpften.
Der Notarzt und der Sanitäter hatten Sarah auf dem Boden neben dem Pool am La Quinta Inn and Suites Hotel weiter beatmet, nach dem sie sie intubiert hatten. Der über den Mund eingeführte Schlauch dient der Sicherung der Atemwege. Dann wurden ihr Medikamente verabreicht. Die Wiederbelebungsmaßnahmen zeigten letztlich Wirkung. Der Puls kam zurück. Vorsichtig wurde Sarah auf eine Trage gehievt und in den Krankenwagen gebracht. David konnte sie begleiten.
Aber die Fahrt verlief nicht reibungslos. Nach einigen Minuten sank der Puls erneut. Davids Blicke hatten die Quelle des unablässigen Piepen gesucht.
„Kammerflimmern.“, hatte Dr. Mulmac in voller Professionalität festgestellt. „Wir müssen sie schocken.“
„Was, was ist los?“. Aber die einzige Antwort die David bekommen hatte, war die, sich jetzt zurückzuhalten.
„Nicht jetzt.“, hatte ihn der Sanitäter unterbrochen. „Lassen Sie uns unsere Arbeit machen.“
„Gib mir die Paddles. Laden auf 200…und weg.“ Der Stromstoss durchbrach das Kammerflimmern, aber führte nicht dazu, dass der Herzschlag seinen Rhythmus wieder fand. Erneut setzte Kammerflimmern ein. Als sich der Körper des Mädchens unter einem weiteren Stromstoß erneut anhob, wurde David schlecht. Grund war nicht das was er sah, aber der Anblick führte dazu, dass er erneut realisierte, wir kritisch die Lage war. Nach einem weiteren Stromstoß durch den Defibrillator konnte das das Kammerflimmern vollständig durchbrochen werden. Aber der Reboot der Herzschlags blieb aus.
„Asystolie.“, bemerkte der Arzt und begann wieder mit der Herzdruckmassage.
Als sie die Notaufnahme des Krankenhaus kurz darauf erreichten, wurde Sarah sofort von Ärzten in Empfang genommen und ein einen Behandlungsraum gebracht. David, der mit dem Notarzt und Sanitäter die Notaufnahme betrat, verwies man auf den Wartebereich.
Am Ende des Flurs angekommen starrte David erneut die kahlen Wände an. Dann sah er in die Richtung woher die ganzen Geräusche und Stimmen kamen. Die Notaufnahme war gut besucht und David fühlte sich einen kurzen Moment besser, als endlich die deprimierende Stille laut hörbarer Hektik wich. Aber auf welche Kosten? Die Menschen in der Notaufnahme waren nicht aus Spaß hier. Sein Blick wanderte durch das kleine Fenster einer Schwingtür und blieb an dem medizinischen Personal im Behandlungsraum hängen. Sie waren noch immer mit Sarah beschäftigt. Er ertrug es nicht länger, drehte sich schließlich um und Schritt den Weg, den er gekommen war wieder zurück. Von einem anderen Flur, der zum Wartebereich führte, sah er die Lupos näher kommen. Mit schnellen Schritten, wenn man das so nennen konnte kamen sie auf ihn zu. Es wirkte mehr so, als wollten sie möglichst schnell herkommen, aber ihr alter lies nicht zu.
„Mr. und Mrs. Lupo.“, empfing sie David, innerlich schon auf eine Auseinandersetzung, zumindest mit Mrs. Lupo vorbereitet.
„Wo ist sie? Wo ist Sarah?“, sagte die Dame und rang um Fassung, als sie vor David zum stehen kam. Ihr Mann dahinter nahm sie sofort in den Arm, sah David aber ebenso erwartungsvoll an.“
„Am Ende des Flures, in einem der Behandlungsräume, die Ärzte sind noch bei ihr.“, sagte er mit so selbstsicherer Stimme, wie er nur konnte, aber es klang nicht überzeugend, zumindest nicht beruhigend.
„Wie geht es ihr? Haben die Ärzte irgendetwas gesagt?“
„Die Ärzte haben die Behandlungsraum bisher nicht verlassen.“, sagte er ruhig und wunderte sich, dass Sarahs Großmutter ihn noch nicht verbal attackiert hatte.
„Ich will zu ihr?“
„Meinst du, das ist eine gute Idee, Liebling?“, sagte ihr Mann und sah sie sorgevoll an. „Lass uns hinsetzen und warten was die Ärzte sagen.“
Aber sie hatte sich schon von ihm gelöst und schritt den Flur hinab. Mr. Lupo folgte seiner Frau. David stieß mit zwei heißen Bechern Kaffee zu den Großeltern und reichte ihnen die Becher.
David registrierte irgendeine Veränderung in dem Behandlungsraum und widmete nun seine ganze Aufmerksamkeit dem Geschehen hinter den Schwingtüren. Es schien so, als ob alle Anwesenden auf einen Monitor starrten. Ein Mann in weißem Kittel drehte sich um und sah die drei Personen draußen stehen. Mit einer Hand stieß er eine der Schwingtüren auf und trat zu David uns Sarahs Großeltern hinaus.
„Was ist mit ihr? Wird sie wieder gesund?“, platzte es aus Mrs. Lupo heraus.
„Ich bin Dr. Bakul. Sind Sie mit ihr verwandt?“
„ Wir sind ihre Großeltern.“, antwortete Mr. Lupo und trat nun auf gleiche Höhe wie seine Frau. „Sarah hat ihre Eltern vor einigen Jahren verloren. Wir sind alles was sie hat und sie ist alles für uns.“ Der Arzt sah zu David hinüber.
„Er gehört zu uns.“, sagte Mr. Lupo noch bevor seine Frau auch nur den Mund aufmachte. Aber sie widersprach auch jetzt nicht.
„Nun,“, begann Dr. Bakul, „als Ihre Enkelin eingeliefert wurde, schlug ihr Herz nicht mehr. Schon auf dem Weg ins Krankenhaus hatte sie mehrfaches Kammerflimmern und vollständigen Herzstillstand. Wir haben sie sehr lange wieder belebt. Sie sprach nur sehr schlecht auf die Medikamente und die weiteren Wiederbelebungsmaßnahmen an. Wir konnten sie nun stabilisieren, für den Moment. Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Wir müssen jetzt die nächsten Stunden abwarten. Ihre Enkelin ist noch nicht über den Berg. Wir werden jetzt erstmal die verschiedenen Brüche, die sie bei dem Sturz erlitten hat versorgen.“
„Wie stehen ihre Chancen?“, fragte David, der sich zuerst nicht traute diese Frage zu stellen.
„Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Zum Aufatmen ist es noch viel zu früh. Wir können im Augenblick nur von Glück reden, dass sie anscheinend keine inneren Verletzungen davon getragen hat. Das ist wirklich ein Wunder.“
„Bitte tun sie was sie können. Sie muss wieder gesund werden.“ Mrs. Lupo unterstrich diese Aussage mit einem flehenden Blick. „Kann ich zu ihr?“
„Nur ganz kurz. Die Ärzte müssen dann weitermachen.“ Dr. Bakul begleite das ältere Paar in den Behandlungsraum. David unterdrückte das Verlangen ebenfalls mit rein zu gehen. Das war jetzt erstmal eine Familiensache. David blickte ein letztes Mal in das Gesicht des Mädchens, das er versucht hatte zu retten und wandte sich dann ab.
Das Taxi hielt am an der Straßenseite des Hotels und David bezahlte den Fahrer mit einer noch feuchten Dollar-Note. Dann umrundete er das Gebäude. Der Funkautoschlüssel hatte den Tauchgang im Pool anscheinend unbeschadet überstanden. Nach dem Drücken des Knopfes wurden die Türen des Fahrzeugs automatisch entriegelt. Dem Kofferraum entnahm David seine Reisetasche und betrat damit das La Quinta Inn and Suites. Auf Nachfrage gab man ihm die Möglichkeit sich in einem Hinterzimmer umzuziehen. Ganz allmählich wurden seine Gedanken wieder klar. Er musste mit Matt sprechen. Er musste ihm mitteilen was passiert war. Ob sein Handy den Tauchgang wohl überlebt hatte? Er taste seine Taschen ab, es war nicht dar.
„Na großartig.“, schnaufte er vor sich hin. „War ja klar.“ Er musste es irgendwann verloren haben. Vielleicht beim Kampf. Im Hotelzimmer?
„Was soll’s, wenn ich eh schon mal hier bin.“
Drei Minuten später öffneten sich die Fahrstuhltüren und David betrat den Flur den fünften Stocks. Er folgte dem Flur bis zum Ende und bog links um die Ecke. Der folgende Flur, von dessen anderem Ende David beim letzten Mal die Etage betreten hatte war nun mit mehreren Polizisten und FBI Agenten gefüllt.
„Sir, Sie können hier nicht durch.“, informierte ihn einer der Polizisten, als David sich Zimmer 512 näherte.
„Ich weiß was hier passiert ist. Ich war dabei. Wer ist hier verantwortlich?“
Der Polizist stutzte einen Augenblick.
„Wie ist ihr Name Sir?“
„Hören Sie, sagen Sie bitte dem hier zuständigen Agent bescheid.“
„Ihr Name, Sir?“
„David Fox.“
„Bitte warten Sie einen Moment hier.“ Mit diesen Worten wandte er sich ab und nickte einem weiteren Officer zu, der bei David blieb.
Nach einem kurzen Augenblick verließ der Polizist wieder das Zimmer und deute in Richtung David. An dem Polizisten eilte ein blonder groß gebauter Mann vorbei. Auf Brusthöhe ragte das ATU Zeichen von Seattle auf seiner Jacke. Bevor David sich darüber wundern konnte erkannte er den Mann.
„Hallo David. Ist lange her.“
„Mash? Bist du das?“, antworte David überrascht und reichte Marshall Jefferson die Hand.
„So sieht man sich wieder. Wie lange ist das jetzt her, David? 8 Jahre?“
„Ich denke das kommt hin. Was machst du hier?“
„Da sollte ich wohl dich fragen, David.“
David überlegte was er ihm sagen sollte, entschied sich dann aber für Wahrheit.
„Ich war hier, als das hier…“, er machte eine ausholende Handbewegung in den Raum hinein, „passiert ist.“
Jefferson sah ihn ruhig an und sagte dann:
„Wieso bin ich nicht überrascht?“
„Erinnerst du dich noch an den Abgeordneten Gent, 1998 in L.A.?“
„Du meinst den Straßenkampf?“
„Genau den, Mash. Genau den.“
Es schien in Jeffersons Kopf klick zu machen. Seine Augen suchten die von David. Er sah ihn direkt an und David wusste, dass er begriff.
„Das Mädchen das von diesem Balkon gefallen ist. Gent! Sarah Gent! Das war seine Tochter?“ fragte Jefferson überrascht.
„Ja. Die Männer hier haben sie entführt. Ich hab sie aufspüren können.“ Er wies auf die Leichen und hielt inne.
Vor ihm saß einer der Männer. Er lebte. Es war der Mann mit dem er das Zimmer betreten hatte und er saß nun gefesselt an einem Stuhl.
„Er war bewusstlos.“, sagte Jefferson.
„Ja ich weiß, dafür bin ich verantwortlich.“
„Also was ist hier los, David?“
„Die Kerle wollten was von Sarah. Sie hat irgendwelche Informationen, irgendetwas, das auf das, was mir ihr Vater damals mitteilen wollte, hinweißt.“
„Was ist es?“
David schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Ich weiß es nicht.“, log er. Er sollte vielleicht nicht alles preisgeben. Noch nicht. Jefferson war zwar immer ein zuverlässiger Kollege gewesen und er hatte ihm vertraut, mit seinem Leben hatte er ihm vertraut. Aber das war 8 Jahre her. Zeiten können sich ändern, Menschen können sich ändern.
David wandte sich von dem gefesselten Mann ab.
„Hat er geredet?“, fragte er seinen ehemaligen Kollegen.
„Nein, bisher her nicht.“
„Was dagegen, wenn ich meine Sachen zusammensuche?“
„Nein, schon okay David, aber der Ordnung halber, lass mich dabei sein.“
David suchte den Boden ab. Wenn er sein Handy verloren hatte, dann vermutlich bei dem Kampf hier im Zimmer.
„Was suchst du denn?“, fragte Jefferson.
„Mein Handy.“
„Wir haben eins auf dem Boden gefunden.“
Jefferson rief einem Kollegen etwas zu, als sie in seine Richtung aufbrachen. Auf einem Tisch seitlich der Zimmertüre waren einige Gegenstände zusammengetragen worden. Darunter befand sich ein Laptop, verschiede USB Sticks, drei Mobiltelefone und ein Anhänger. David blickte verharrte darauf.
„Welches ist es?“
„Bitte?“ David fühlte sich ertappt und sah wie aus Gedanken gerissen Jefferson an.
„Deine Handy. Welches ist es?“
„Ach so, ja, das da.“ David wies auf sein Handy und Jefferson nahm es und reichte es ihm.“
„Danke, Mash. Sag mal habt ihr schon irgendetwas herausgefunden. Gab es Informationen auf dem Laptop?“
„Wir stehen noch am Anfang.“
Was ist mit dem Anhänger?“, fragte David.
Jefferson sah ihn neugierig an.
„Was ist denn mit dem Anhänger? Hast du ihn schon mal gesehen?“
Das Klingeln eines Mobiltelefons unterbrach die Gegenfrage. Es war Jeffersons Handy. Zögernd wandte er sich von David ab und nahm das Gespräch entgegen. Davids Blick wanderte wieder zum Anhänger. Dahinter waren die Kerle her. Aber warum? Weitere Gedanken konnte sich David darüber nicht machen. Das Kribbeln, dass in ihm aufstieg, verdrängte in diesem Augenblick jeden klaren Gedanken. Es durchlief seinen ganzen Körper, das unbändige Gefühl nicht alleine zu sein. Die Präsenz eines anderen Unsterblichen war deutlich zu spüren. David drehte sich um und wollte gerade zur Zimmertür gehen, als ihn Jefferson rief.
„David, warte, wir müssen reden.“
Hin und her gerissen drehte sich David schließlich wieder zu ihm um und ging ihm entgegen.
„Was ist?“ In seiner Stimme war eine Spur von Unsicherheit, die aber Jefferson nicht bemerkte.
„Du hast doch einen der Verdächtigen in diesem Safehouse verletzt zurückgelassen, richtig?“
„Ja, was ist mit ihm?“
„Er ist tot.“
„Tot?“
„Er hat mehrere Schussverletzungen am Kopf und am Körper.“
„Was? Wie ist das passiert? Gibt es irgendwelche Anhaltspunkte? Ich hatte nur Matt Bescheid gesagt. Er sollte jemanden schicken.“
„Es gibt keine weiteren Spuren, David. Uns gehen hier die Tatverdächtigen aus.“
„Dann solltest du auf den Kollegen da drüber gut aufpassen.“ Er zeigte auf den Mann, der gefesselt auf dem Stuhl saß.
David hatte denn Satz gerade ausgesprochen, als Schüsse fielen. Schreie waren zu hören und noch mehr Schüsse. David und Jefferson sahen sich erst gegenseitig an und dann zur Zimmertür.
„Was zum Teufel…“, begann Jefferson, zog seine Waffe und ging zur Tür.
„Nicht, warte.“, unterbrach ihn David und versperrte ihm den Weg.
„Ich sehe nach.“
Noch eher Jefferson zustimmen oder widersprechen konnte flog die Tür mit einem gewaltigen Krachen auf. Blitzartig drehte sich David zu um, während Jefferson nur erstarrt zur Tür blickte. Im Türrahmen stand ein muskulöser Mann, fast zwei Meter groß. Er war völlig in schwarz gekleidet, aber ein Mantel verdeckte den größten Teil seines Körpers. Dunkle schulterlange filzige Haare ließen ihn barbarisch wirken. Sein Blick war kalt und zeugte von einem erbarmungslosen Vorgehen. David hätte schwören können, dass dieser Berg von Mann ein erfahrener Elitekämpfer war, aber er hatte keine Narben, im Gegenteil sein Gesicht wirkte absolut rein. Dieses modellhafte Gesicht widersprach dem Rest der klischeehaften Bösewichts. Es passte einfach nicht zusammen. Er wischte den Gedanken bei Seite. Er musste handeln. doch bevor er etwas machen konnte fiel ein Schuss und der Gefangene auf dem Stuhl sank in sich zusammen.
Reflexartig stürzte sich David auf den Angreifer und konnte so in letzter Sekunde die Pistole, die bereits auf Jefferson gerichtet war, zur Seite drücken. Ein Schuss löste sich und die Kugel wurde in der Zimmerwand versenkt.
Nun hatte auch Jefferson seine Waffe im Anschlag, kam aber nicht zum Schuss, denn David und der Muskelprotz donnerten an der Stelle in die Wand, wo kurz zuvor das Geschoss versenkt wurde. David verpasste dem Angreifer ein heftigen Schlag in die Magengegend, aber die erhoffte Wirkung blieb nahezu aus.
„David, runter!“, rief Jefferson von hinten und David lies sich zur Seite fallen.
Die beiden Schüsse, die Jefferson abfeuerte trafen den Muskelprotz direkt in die Brust. Er schwankte und stolperte zwei Meter durchs Zimmer. Dann richtete er seinen Kopf wieder auf und hob die den Schussarm. Die Waffe hatte er noch immer in der Hand. Erneut feuerte Jefferson zwei Schüsse ab. Diesmal streckten sie den Angreifer nieder.
David stand auf.
„Verdammt war der stark.“, keuchte David.
„Vorsicht!“, rief Jefferson erneut und David folgte seinem Blick zurück zur Zimmertür. Ein weiterer Mann stand im Türrahmen. Er war kleiner und weniger muskulös. Aber auch er hatte ein makelloses Gesicht, aber im Gegensatz zu Angreifer Nummer eins einen militärischen Haarschnitt.
Noch bevor Jefferson etwas machen konnte, feuerte der Mann seine Waffe ab. Wie durch ein Wunder streifte die Kugel nur Jeffersons linken Arm und er zuckte zusammen. All das nahm David nicht richtig war. Ihm war es, als wollten Erinnerungen in ihm aufsteigen. Es war nicht nur der merkwürdige Anblick des zweiten Angreifers, sondern etwas anderes. Er kannte das Gesicht. Er hatte den Mann nicht nur schon mal gesehen, er kannte ihn, da war er sich sicher. Aber die Erinnerungen wollten nicht durchbrechen, als ob eine innere Blockade verhindern wollte, das David die Puzzleteile zusammenfügen konnte.
Der zweite Angreifer drückte ein weiteres Mal ab, aber die Waffe blieb stumm. Er hatte das Magazin bereits im Hotelflur verbraucht.
Jefferson nutze seine Chance und schoss. Zwei Treffer in der Brust ließen den zweiten Mann zu Boden sinken. David verfolgte das Geschehen wie in Trance, noch immer irritiert davon, dass sich zwei Unsterbliche in diesen mysteriösen Fall einmischten und einer davon ihm auch noch bekannt vor kam. Erst eine Bewegung hinter ihm lies ihn wieder zu sich kommen. Aus den Augenwinkeln registrierte er das Aufblitzen einer Klinge, die nur Zentimeter an ihm vorbei schwang, als er sich intuitiv seitlich bewegte.
Jefferson, der das Blut im Brustbereich des Muskelprotzes, der sich nun aufrichtete, sah, wirkte verunsichert und setze erneut auf ihn an. Er schoss aber nicht. Statt dessen wich er zurück, denn auch der zweite Angreifer richtete sich nun auch wieder auf und holte ebenfalls ein Schwert unter seinem Mantel hervor.
“Was zum Teufel….“, gab Jefferson entsetzt von sich. David hatte dem nichts hinzuzufügen. Wenn die beiden Männer Unsterbliche waren, hätten die Treffer sie ausschalten müssen, zumindest vorübergehend. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht und ein deutlicher Anflug Panik stieg in David auf. Eine Panik, die nicht nur durch die direkte Bedrohung der beiden Unsterblichen verursacht wurde, sondern auch, durch die Tatsache, dass sie so anders waren.
David vollführte eine Drehung nach seinem Ausweichmanöver, packte dabei einen Stuhl und zerschmetterte diesen an der Schulter und dem Kopf des langhaarigen Mannes. Dann stürzte er sich mit all seiner Kraft und seinem gesamten Gewicht auf ihn und stieß den Mann quer durch das Hotelzimmer.
David wusste, dass er sich beeilen musste, denn Jefferson Pistole würde Angreifer Nummer zwei nicht aufhalten – jedenfalls nicht auf Dauer. Kurz bevor er seinen Gegner durch die noch intakte linke Fensterfront zum Balkon stürzte hörte er wieder zwei Schüsse. Das Glas
zerbrach unter dem Aufprall der beiden erwachsenen Männern sofort. Sie stürzten auf den Balkon und David sah, dass sein Gegner das Schwert fallengelassen hatte.
Er packte das Schwert und richtete sich auf den Scherben auf.
„Daniel!“, rief David, erstaunt darüber warum er dies rief. Der Name des zweiten Angreifers war Daniel, das wusste David schlagartig. Er verlor keinen weiteren Gedanken daran.
Daniel allerdings registrierte den Ruf gar nicht, oder gab es zumindest nicht zu erkennen. Statt dessen hob er sein Schwert.
Mit fünf schnellen und großen Schritten durchquerte David das Zimmer und parierte in letzter Sekunde Daniels Hieb, der mit voller Wucht den verunsicherten Jefferson getroffen hätte, dessen Magazin nun auch leer war. Bei der Parade rannte David in Daniel hinein und drückte ihn gegen die Wand. Doch dann bekam er Daniels Stärke zu spüren. Er drückte ihn weg, aber David kam es wie ein Schlag vor. Er fiel rückwärts auf den Boden und musste sich schnell wieder aufrichten, denn Daniel folgte ihm und hob sein Schwert.
Durch die zerbrochenen Fensterscheiben am Balkon drang Sirenengeheule ins Zimmer, wie David vernahm, zusammen mit einer frischen Brise und…David lief es kalt den Rücken runter. Der Muskelprotz hatte sich bereits auch wieder aufgerichtet und war durch die zerbrochene Scheibe zurück ins Zimmer gekommen.
Daniel lies das Schwert durch die Lust sausen. David packte den Muskelprotz und zog ihn zu sich, währen der gleichzeitig dem Schwerthieb auswich. Ein Aufschrei verriet ihm, dass Daniel das Schwert in den Muskelprotz gebohrt hatte. Blut spritze, als die Klinge der Körper wieder verließ. Der Muskelprotz taumelte durch das Zimmer aber Daniel beachtete ihn nicht weiter. Er peilte wieder David an. Erneut sauste die Klinge durch die Luft und David parierte. Einem weiteren Hieb konnte David ausweichen, aber es gelang ihm nicht zum Angriff überzugehen. Der Kampf führte quer durch das Zimmer, als ihn plötzlich jemand packte. Daniel holte erneut aus und diesmal konnte er die Überraschung von David ausnutzen. Obwohl David parierte war der Hieb so heftig, das er das Schwert fallen lies. In diesem Moment griff Jefferson ein. Er stürzte sich auf den Muskelprotz und David kam frei. Dem nächsten Hieb, der auf seinen Kopf zielte wich David nicht aus. Er schritt ihm entgegen und betrat damit Daniel Kampfkreis. Er suchte den Körperkontakt und trat ihm in die Kniescheiben. Daniel sackte zusammen. Aber er war noch nicht kampfunfähig. Als sich David auf ihn stürzen wollte schleuderte er ihn über sich hinweg und David landete halb auf dem Balkon. Das zerbrochene Glas schnitt ihm die Hände auf. Hinter ihm im Raum gab es ein gewaltiges Scheppern und einen dumpfen Schlag. Als er sich um dreht und aufrichtete humpelte Daniel auf ihn zu, das Schwert wieder in der Hand.
Diesmal holte Daniel nicht aus, sondern versuchte das Schwert direkt in David zu rammen, der jedoch auswich und den Schwung von Daniel ausnutze, um ihn über die Brüstung des Balkon zu werfen. Im Fall gab Daniel keinen Laut von sich. Er schlug mit voller Wucht auf der Wasseroberfläche auf.
David wollte gerade durchatmen, als ihm der Muskelprotz wieder einfiel. Er drehte sich um bekam einen Faustschlag direkt ins Gesicht. Erneut ging er zu Boden, erneut bohrten sich Glasscherben in seine Hand. Er stöhnte auf, versuchte aber die Zähne zusammen zu beißen. Der Muskelprotz riss ihn an den Haaren hoch. In der anderen Hand, blitzte ein Messer auf.
Woher zum Teufel kommt das jetzt, dachte David.
Dann ging alles ganz schnell. Von der Eingangstür her hörte David Männer rufen: „Polizei, Waffe weg!“ David holte aus und trat dem Angreifer unschön zwischen die Beine. Dieser ließ David sofort los. David krachte ein weiteres Mal auf die Glasscherben.
„Messer weg!“, hörte er die Männer aus dem Raum rufen. Dann fielen Schüsse und der Muskelprotz war verschwunden.
„Ruft einen Krankenwagen. Er ist runtergestürzt.“ Dann erst registrierte David, dass auch der Muskelprotz über die Balkonbrüstung gestürzt und den direkten Weg zum Pool genommen hatte.
David wollte sich aufrichten, aber endete sitzend an der Balkonbrüstung. Ein Polizist kam herbei geeilt.
„Geht es Ihnen gut?“
David nickte nur und zeigte in den Raum. „Helfen dem Agent da drüben.“
Agent Jefferson lag unter den Trümmern des zerborstenen Tisches, auf dem die sichergestellten Gegenstände lagen.
„Er hat einen Puls.“, rief ein andere Polizist, der sich gerade zu Agent Jefferson runtergebeugt hatte.
„Mir geht’s gut.“, sagte David zu dem Polizisten, der sich zu ihm hin gekniet hatte. „Mir geht’s gut. Ich brauche nur einen Moment.“
Immer noch nach Luft ringend sah David zu Eingangstür, als zwei schlanke Beine den Raum betraten. Die Person, die zu den Beinen gehörte beugte sich zu einem der Polizisten, die sich um Agent Jefferson kümmerten.
Dieser zeigte zum Balkon und zu David. Die Person richtete sich auf. David Blick kämpfte sich den Beinen entlang nach oben auf den sportlichen, aber nicht muskulösen Körper. Dann sah er die leicht wehenden roten Haare und das bezaubernde Gesicht und musste lachen, das sich jedoch sofort in ein Husten verwandelte. Das konnte doch jetzt echt nicht sein.
„David, alles in Ordnung?“
„Was zum Teufel machst du hier?“, hustete er Ginny entgegen.
„Dir helfen, was sonst.“
David sah sie fragend an. Das ergab doch alles keinen Sinn.
„Wie bist du hier her gekommen?“
„Geflogen, David, geflogen. Komm jetzt.“ Sie versuchte ihm aufzuhelfen, aber David gab sich keine Mühe und half nicht mit.
„Geflogen? Aber wie….“
„Mit dem Flugzeug. Und jetzt komm hoch.“
David verzog das Gesicht. „Sehr witzig.“ Mit eine schmerzverzerrten Gesicht stand er vorsichtig mit Ginnys Hilfe auf.
„David deine Hände.“, erschrak Ginny
Er blickte auf seine Hände.
„Keine Sorge, dass ist nicht mein Blut, siehst du….“ Er wischte die letzte Reste Glasscherben von den Händen „…keine Verletzung.“
Gemeinsam gingen sie durch das Zimmer.
„Wie geht es ihm?“, fragte David in die Runde, als sie bei Jefferson standen.
„Er ist stabil. Das wird wieder.“, sagte der erste Sanitäter, der mittlerweile vor Ort war. „Was ist mit Ihnen? Soll ich sie durchchecken.“
„Nein Danke, mir fehlt nichts.“
„Wäre es nicht doch besser, wenn…“, mischte sich Ginny ein.
„Nein Ginny, alles okay.“, und Davids Stimme klang bestimmt, vielleicht etwas zu viel.
„Gut dann sollten wir gehen.“, schlug sie vor.
„Moment, der Anhänger.“, flüsterte David nun zu Ginny gewandt.
„Den habe ich schon.“, antwortete sie knapp.
Als sie durch den Flur der Etage gingen hörten sie von hinten einen Polizisten zu seinem Vorgesetzten sagen „Im Pool ist niemand. Andere Hotelgäste sagen, dass zwei Männer in den Pool gefallen, aber dann rausgeklettert und weggelaufen sind.“
Ginny nahm diese Aussage vermutlich nicht war, vermutete David. Jedenfalls reagierte sie nicht.
„Wie bist du an den Anhänger gekommen?“
Sie waren beide hinüber zum Fahrstuhl gegangen und auf dem Weg nach unten. Jetzt, da keine Polizisten mehr um sie herum waren, wollte David wissen was hier eigentlich los war.
„Matt hat mir von dem Anhänger erzählt und mir ein Bild von dem Symbol gezeigt. Als ich das Zimmer betreten habe und mich zum Polizisten, der gerade den Agent versorgt hat, hinuntergebeugt habe, um mich nach dir zu erkundigen, hab ich es auf dem Boden liegen sehen. Da habe ich es unauffällig eingesteckt.“
David atmete noch immer schwerfällig und wollte gerade etwas sagen, als der Fahrstuhl anhielt und die Türen zu Seite auf glitten. Sie hatten das Erdgeschoss erreicht. Vor ihnen lag der Empfangsbereich hell erleuchtet. Das Warme Licht der Deckenbeleuchtung vermischte sich mit dem Blaulicht der Polizeiwagen, die direkt vor dem Haupteingang angehalten hatten. Die Lobby war ebenfalls voller Polizisten, die aber anscheinend gerade von Bundesagenten in ihren Aufgaben abgelöst wurden. Ginny hielt Ihren Ausweis entgegen und gemeinsam verließen sie und David das Hotel.
„Lass uns ins Krankenhaus fahren. Ich möchte wissen wie es Sarah geht.“
„Meinst du, dass das eine gute Idee ist? Wir haben gerade ein Beweisstück gestohlen, David.“
„Du hast es gestohlen.“, antwortete David und öffnete die Autotür.
„Jetzt sei mal nicht pingelig.“, sagte Ginny und verzog die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln.
15 Minuten später, irgendwo in Seattle
Dreckiges Licht erhellte schwach die Pfützen auf dem Boden der Gasse, in der Daniel Clark stand. Es hatte wieder angefangen zu regnen. Die wenigen Menschen, die sich auf der Strasse rumtrieben verschwanden schnell in irgendwelchen Haustüren. Obwohl Seattle eine der regenreichsten Städte der Vereinigten Stadt ist, ist der Sommer meist niederschlagsfrei. Nicht so heute. Auch Daniel Clark war durchnässt, als er auf das Münztelefon zusteuerte, das sich direkt vor ihm befand. Aber die Nässe interessierte ihn nicht. Er hatte einen Anruf zu tätigen.
Die Dunkelheit schützte ihn und im Augenblick war selbst das bisschen Licht, das auf ihn herabschien, dunkel genug um ihn zu verbergen. Er griff unter das Münztelefon, vor dem er stand und entfernte das mit einem Klebestreifen angebracht Mobiltelefon. Dann wählte er die ihm bekannte Nummer. Nach einmaligem Klingeln meldete sich die ihm bekannte raue Stimme.
„Fox war da, Sir. Er war schneller als wir dachten. Er hat uns überrascht.“, erklärte Clark in sachlichen und militärisch präzisen Tonfall.
„Ihr wart zu zweit. Das Ergebnis ist inakzeptabel, Soldat. Wie konnte Fox euch beide aufhalten?“, erkundigte sich die raue Stimme verärgert.
„Er ist definitiv besser als erwartet, Sir. Wir waren darauf nicht vorbereitet.“
„Nicht vorbereitet? Ihr seit die Besten die es gibt. Ich will so eine Scheisse nicht hören. Verstanden?“
„Ja, Sir.“
„Hat Fox den Schlüssel?
„Davon ist auszugehen, Sir. Wir kommen im Augenblick jedenfalls nicht wieder in das Hotel. Da ist alles abgeriegelt. Uns bleibt daher nur Fox. Sollen wir mit dem Ersatzplan fortfahren?“
Die raue Stimme zögerte, dann beendete sie das Gespräch mit den Worten: