Wieder heizte er über die Straße, wieder stieg Angst in ihm auf zu spät zu kommen. Adrenalin schoss durch sein Körper und mit purer Entschlossenheit steuerte er das Fahrzeug durch den Berufsverkehr, in der Hoffnung rechtzeitig sein Ziel zu erreichen. Das Problem war, das bei diesem Fahrstil es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis die Polizei auf ihn aufmerksam werden würde oder er einen Unfall bauen würde. Wider erwarten hatte er Glück. Nichts von beidem geschah und er bog in die Wohnsiedlung, in der er schon heute morgen gewesen war ein. Auf halber Höhe der Strasse kam das Haus von Sarahs Großeltern auf der linken Seite in Sicht. Vor der Tür war kein Auto zu sehen. Ist das gut oder schlecht, ging es ihm durch den Kopf, als er immer näher kam. Dieses Mal machte er sich nicht die Mühe sorgsam am rechten Straßenrand zu parken, sondern stellte sich einfach schräg, entgegen der Fahrtrichtung vor das Haus und sprang aus dem Auto. Die Garagenauffahrt hatte er mit wenigen Schritten genommen und hechtete nach rechts zur Eingangstür. Er klingelte, nichts passierte. Er klingelte noch einmal.
„Sarah! Mrs. Lupo! Mr. Lupo!“, rief er, während er nun Kraftvoll an die Haustür klopfte. Doch er erhielt keine Antwort. Er drehte sich um und es wirkte, als wolle er überprüfen, dass er nicht beobachtet werde. Tatsächlich schaute er sich um, um zu sehen, ob endlich die von Matt angekündigten Agenten auftauchten, doch weder von Links noch von rechts kamen Autos. Irgendetwas stimmte nicht. Er zog sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und rief Matt an.
„Ich bin beim Haus der Lupos. Waren die Agents schon bei Sarah, Matt?“
„Nein, nicht das ich wüsste, aber sie müssten jeden Moment da sein. Soweit waren sie nicht weg. Das Safehouse, von dem sie losgefahren sind, ist in der Nähe. Stimmt etwas nicht?“
„Ich weiß nicht. Es öffnet niemand die Tür.“
„Ich werde mich mal umhören David und melde mich gleich wieder.“
David steckte das Handy zurück in die Hosetasche und umrundete das Haus. Die Grundstücke in der Straße waren durch hohe Hecken abgetrennt, so dass ein Blick in des Nachbarsgrundstück nur aus der ersten Etage möglich war. David erreichte die Rückseite des Hauses und blickte durch die hintere Tür, die zum Garten führte, in dem er nun stand. Auf den ersten Blick sah alles normal aus, doch als sein Blick zum Küchentisch, der mittig im Raum stand schweifte sah er Zeitschriften eine Schale und eine Blumenvase samt Blumen dahinter zerbrochen auf dem Boden liegen. Also hatte er recht. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Mit einem Ruck seiner Schulter gegen die Tür sprang sie auf.
„Hallo?“, rief David. „Sarah? Mrs. Lupo? Mr. Lupo? Ist jemand hier?“ Es blieb still. Vorsichtig durchquerte er die Küche, einen großen Raum samt Essbereich und erreichte die Diele. Von dort aus warf er einen Blick in das Wohnzimmer und stieg dann vorsichtig die Treppen zur oberen Etage hinauf. Erinnerungen schossen in seinen Kopf. Erinnerungen an Alexa’s Eltern und David wurde es mulmig. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und er rief erneut nach den drei Bewohnern. Aber erneut erhielt er keine Antwort. Als sein Kopf die Höhe des Bodens der ersten Etage passierte blickte er sich direkt um, ob irgendetwas zu erkennen war. Aber da war nichts. Bedacht auf leise Schritte, obwohl es nach seinen Rufen nicht mehr nötig gewesen wäre, erreichte David die erste Etage. Eine unheimliche Stille herrschte im gesamten Haus. Er durchsuchte alle Zimmer. Aber das Haus war verlassen. Er konnte sich darauf keinen Reim machen und ging wieder nach unten. Er wollte gerade das Haus verlassen und zog sein Handy hervor, um Matt anzurufen, als er ein gedämpftes Rumpeln hörte. Er blieb stehen und horchte. Sein Handy verschwand wieder in der Hosentasche, als das Rumpeln erneut ertönte. Es schien von unten zu kommen.
„Der Keller.“, sagte er sich begreifend, drehte sich um und suchte die Tür zum Keller. Diese fand er an der höchsten Stelle d er Treppe. Dort drunter befand sich eine Tür, die so an den Rest der Wand, die sich an der Treppenseite befand, angepasst war, dass man sie tatsächlich beim vorbeigehen übersehen konnte. David öffnete die Tür und stieg hinunter in den Keller. Zum Glück gab es einen Lichterschalter und die unteren Räumlichkeiten wurden erleuchtet. Ein umgekippter Stuhl lag auf dem Boden, daneben drei Fahrräder. Seitlich davon lagen zwei Personen auf dem Boden. Mrs. und Mrs. Lupo, beide gefesselt und geknebelt. Als sie David erblickten wich die Furcht und das Entsetzten ein wenig aus ihren Augen. David nahm ihnen den Knebel aus dem Mund und machte sich an dem Seil, womit beide Rücken an Rücken gefesselt waren, zu schaffen, als beide durcheinander zu reden begannen. David konnte nicht genau verstehen was sie sagten, aber die Kernaussage war trotzdem klar. Sarah war nicht da. Etwas schwerfällig kamen die Großeltern auf die Beine und David begleitete sie nach oben.
„Sie haben sie mitgenommen. Die Männer stellten sich als FBI vor.“, setze Mr. Lupo erneut an. Dieses mal sprach nur er. „Als wir anfingen Rückfragen zu stellen, haben sie uns in den Keller gezerrt und gefesselt.“
„Wir haben Sarah schreien gehört. Wir konnten aber nichts machen.“, schaltete sich nun auch die ältere Dame ein. Die unendliche Furch in ihrer Stimme war nicht zu überhören. „Was haben die mit ihr vor?“ „Ich weiss es nicht genau.“, sagte David, so ruhig er konnte, aber auch er stellte sich gerade zu viele Fragen, als dass er jetzt ruhig bleiben konnte.
„Das ist alles deine Schuld.“, trafen ihn die Worte der alten Dame.
David sah, entsetzt von der gesamten Situation, betroffen drein.
„Nicht doch.“, versuchte Mr. Lupo seine Frau zu beruhigen und nahm, sie in den Arm.
David stand mit einem hilflosen Blick dar, wie in Trance und ging nicht auf die absurden Vorwürfe von Sarah’s Großmutter ein.
Er wich ein Meter von beiden weg und rief Matt an. Schließlich konnte es das jetzt nicht gewesen sein. Er musste irgendetwas unternehmen. Nach dem zweiten Klingeln meldete sich sein Freund.
„Wie siehts bei dir aus, David?“
„Sarah ist verschwunden. Ihre Großeltern waren im Keller eingeschlossen, gefesselt aber sonst wohl auf. Scheiße Matt, die Kerle haben sich als FBI vorgestellt. Ihr habt ein größeres Sicherheitsproblem als angenommen.“
„FBI? Die waren gar nicht eingeweiht.“
„Ach was. Das waren die Typen, die ihr hierhin geschickt habt. Verdammt die arbeiten für die andere Seite.“, sagte David deutlich aufgebracht. „Wo ist das Safehouse?“
„Das ist geheim, David. Du weißt, dass ich dir die Information nicht geben kann.“
„Verdammt Matt, die sind korrupt. Die haben ein unschuldiges Mädchen entführt. Wer weiß, was die mit ihr machen werden.“
„Wir wissen doch noch gar nichts. Vielleicht wurden die Agenten abgefangen und jemand anderes hat ihren Platz eingenommen.“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Das ist aber unsere einzige Chance, oder willst du sie über ihr Telefon orten lassen.“
„Das kannst du vergessen, David. Dafür machen die mich hier fertig.“
Es trat eine kurze Pause ein. David wusste, dass Matt nachgeben würde und er behielt recht.
„Okay. Ich geb dir die Adresse. Du bekommst in einer Minute ne SMS.“
„Danke, ich werde dort hinfahren. Behalte das vorerst für dich, solange du nicht weißt, wo die undichte Stelle ist.
Er erreichte das Safehouse, ein Einfamilienhaus eine viertel Stunde später. Den Wagen stellte er unauffällig eine Straße weiter ab und schlich anschließend vorsichtig durch zwei
Hinterhöfe. Mehrere Häuser in der Straße schienen verlassen, so auch die, an denen David nun vorbei schlich. Die Hinterhöfe waren mit Gerümpel überladen. Bretter und Ziegelsteine lagen verstreut mit alten Bierflaschen und anderen Abfällen herum. Behutsam kletterte er durch das Loch des Grundstückszaunes und befand sich nun im Hinterhof des Safehouses.
Es war zwar unwahrscheinlich, dass die Gesuchten hierher zurückgekehrt waren, zu groß war die Möglichkeit, dass sie aufflogen, aber David wollte keine Risiko eingehen. Bewaffnet mit einem der herumliegenden Bretter näherte er sich der Hintertür und lugte durch ein kleines Fenster neben der Tür ins Innere. Dort konnte er niemanden entdecken. Sein Hand wanderte zum Türgriff, als er Schritte vernahm. Schnell und leise wich er zurück, die beiden Stufen, die zur Hintertür hinaufführten, wieder hinunter und um die Ecke des Hauses. Dort verharrte er für einen Augenblick. Er wusste, dass ihm die Zeit davonlief. Er konnte sich nicht den Luxus leisten und erstmal alles dreimal durchdenken. Er musste schnell handeln. Wenn Sarah nicht hier war, würde es immer schwieriger werden sie zu finden, je länger er wartete.
Er hob einen kleinen Stein vom Boden auf und warf ihn auf den kleinen Vorbau vor der Hintertür. Er hörte die leiser werdenden Schritte abrupt lauter werden und näher kommen. Mit einem Quietschen glitt die Tür auf. Jemand entsicherte eine Waffe. Die Schritte wurden Stumpf, offensichtlich hatte die Person die Holzstufen verlassen und war bereits im Hinterhof. David wartete an der Hausecke, das Brett ausholend in die Höhe gehalten. Aber er hörte nichts mehr. Was ihn rettete war der Schatten, den die Person in seine Richtung warf. Im richtigen Moment stürzte David um die Ecke und schwang das Brett in die Magengegend seines Gegenübers. Der Mann ging mit schmerzverzehrtem Gesicht zu Boden und Davids Reaktion führte ihn direkt zu der auf den Boden fallenden Waffe. Die Waffe auf den Fremden gerichtet zog David ihn mit der anderen Hand auf die Beine und drängte ihn die die Stufen rauf ins Haus.
„Ist noch jemand hier?“, presste David angespannt die Worte aus seinem Mund. Er verlieh den Worten Nachdruck und drückte die Waffe an den Hinterkopf des Mannes.
„Ist – noch – jemand – hier?“, wiederholte er seine Frage und betonte jedes Wort. Der Mann schwieg.
„Wo ist Sarah? Wo ist das Mädchen?“ David bohrte die Waffe feste in den Hinterkopf des Mannes.
„Du begehst gerade ein Verbrechen. Ich bin Bundesagent.“, knurrte dieser nur leise zurück.
„Du bist ein Scheiß..“, antworte David und unterstrich seine Antwort mit einem kräftigen Schlag gegen die Wirbelsäule, so dass der Fremde auf die Knie sank.
„Von mir erfährst du gar nichts, David Fox.“
„Woher kennst du meinen Namen?“
„Ich bitte dich. Es war doch klar, dass du kommen würdest. Aber dass es so schnell gehen würde, wussten wir nicht.“
„Wer ist „wir“?“
„Niemand.“, schnappte er mit einem Grinsen zurück. „Ich bin niemand. Wir sind niemand“ Dann wurde es schwarz um ihn herum, als David ihm den Griff der Pistole über den Kopf zog.
Er musste unbedingt erfahren was hier vor sich ging. Er lies ein oder zwei Sekunden verstreichen und atmete dann tief durch. Mit seinem Mobiltelefon machte er ein Foto von dem vor ihm Liegenden.
„Matt, ich bins, David.“, sagte er, sobald die Telefonverbindung zu Stande gekommen war. „ich schicke dir jetzt ein Bild rüber. Ich muss wissen wer das ist.“ Dann drückte er die entsprechenden Tasten auf seinem Handy und das Bild wurde übertragen.
Die herumliegenden Netzwerkkabel gaben gute Fesseln ab und so nutzte David sie und fesselte den Mann, nachdem er ihn auf einen Stuhl gesetzt hatte. Als sichergestellt war, dass
der Mann nirgendwo hin konnte, bot sich David endlich die Möglichkeit das Haus, allem voran die umliegenden Zimmer, zu überprüfen. Doch schnell war klar, Sarah war nicht hier. Es war niemand da. Das Haus war leer, aber die Unordnung und die gesamte herumliegen Ausrüstung deuteten darauf hin, dass die Männer plötzlich aufgebrochen waren.
David kehrte er in das große Zimmer, in dem er seinen Gefangenen zurückgelassen hatte zurück. Sein Blick fiel nun auf die drei Laptops, die auf dem Tisch zur Rechten standen. Das Husten des Mannes lenkte aber schließlich Davids Aufmerksamkeit von den Laptops wieder auf ihn.
„Also, noch mal. Wo ist das Mädchen?“. David baute sich vor dem Mann auf, doch dieser bewies Mumm, oder gab es zumindest vor. Er hielt Davids Blick stand und reagierte darüber hinaus gar nicht.
„Hör zu, du Mistkerl. Wir können es auf die leichte Art machen, oder auf meine Art.“
Der Mann lachte leise auf und hustete etwas. David konnte es nicht glauben. Dieser Narr.
„Was willst du machen? Mich foltern?“
„David riss der Geduldsfaden. Der Gedanke, was mit Sarah passiert sein könnte, machte ihn fertig. Zu sehr dachte er daran, dass er Alexa nicht hatte retten können, aber diesmal hatte er noch eine Chance. Er machte einen schnellen Schritt auf den Mann zu und zog die Waffe. Doch noch beim Anheben der Waffe entsichert er sie und er wusste nicht, ob er damit alleine schon etwas erreichte, aber er fand es auch nicht mehr heraus. Davids Handy klingelte. Es war Matt. David dachte zwar nicht darüber nach, aber er hätte vermutlich abgedrückt.
„David, das ist einer von unseren Leuten.“, meldete sich Matt zu Wort. „ Er heißt Nicolas Lambert.“
„Danke“, antwortete David knapp und lies dabei Lambert nicht aus den Augen.
“David, bist du dir sicher, bei dem was du tust?“
„Absolut.“ Damit beendete er das Gespräch und steckte das Mobiltelefon zurück in die Hosentasche, sein Blick weiter auf Lambert gerichtet, der dem Blick unbeeindruckt stand hielt.
Als ob es der selbstverständlichste nächste Schritt sein würde, wandte sich David von Lambert ab und ging zu dem Tisch mit den Laptops. Keiner dieser Laptops war gesperrt und David hatte Zugriff auf all drei Systeme. Ein paar Suchen ergaben jedoch keinen konkreten Hinweis.
„Verdammt.“, fluchte er leise und als er zur Seite blickte, entdeckte er einen Ausrüstungskoffer.
David legte ihn auf den Tisch, öffnete ihn und musterte den Inhalt sorgfältig. Erneut hielt er inne und dachte für einen Moment darüber nach was er nun im Begriff war zu machen. Aber er hatte keine Wahl. Er nahm den Schalldämpfer aus dem Koffer und schraubte ihn auf die Pistole.
„Ich werde nichts sagen.“ David reagierte nicht auf Lamberts Aussage. Jetzt wurde nach seinen Regeln gespielt. Als der Schalldämpfer fest saß, drehte er sich um und schritt ruhig auf Nicolas Lambert zu. In dem Moment, wo er ihn ansah, wusste David, dass er reden würde. Lambert schwitzte.
„Wo ist das Mädchen, Nicolas?“ Sofort registrierte er die kurzeitig preisgegeben Verwunderung von Lambert. Leicht verunsichert sah ihn dieser nun an, machte aber nach wie vor keine Anstalten auszupacken.
David hob die Waffe und drückte ab. Der Schuss verfehlte Lamberts Kopf nur um wenige Zentimeter. Obwohl dieser versuchte die Ruhe zu bewahren, geriet er nun zunehmend ins Schwitzen.
„Das nächste Mal schieße ich nicht vorbei.“, sagte David bestimmt.
„Verflucht, wo ist das Mädchen?“ David wurde lauter.
„Ich habe dafür keine Zeit mehr. Ab jetzt ist es nur noch eine Frage, wie viel Schmerz du ertragen kannst.“ Die Waffe wanderte Richtung Lamberts linken Arm und David drückte ab.
Lambert schrie auf, als die Kugel seinen Arm durchschlug. Die Waffe auf sein gegenüber gerichtet, wurde David ungeduldig.
„Das war ein glatter Durchschuss. Mit ein bisschen Glück behältst du deinen Arm, aber jetzt läuft auch dir die Zeit weg.“ Lambert dachte fieberhaft nach, das konnte David erkennen.
Er richtete erneut die Waffe auf ihn und Lambert zitterte nun am ganzen Körper vor Schmerzen und stöhnte.
„Ich schwöre dir, das war erst der Anfang, Nicolas!“
Die Waffe zielte nun auf Lamberts rechtes Knie.
„Wo ist sie?“, schrie David. Er sah aus, als hätte er die Beherrschung verloren, dabei war es ein abgekartetes Spiel. Er wusste genau was er da tat und er wusste genau wie weit er zu gehen bereit war. Allerdings machte ihm das innerlich auch Angst.
„Wie du willst.“ David stellte sich seitlich vor Lambert und presste die Mündung samt Schalldämpfer der Pistole an Lamberts Knie.
„Ja ist gut, ich sag wo sie ist.“, gab Lambert stöhnend und unter Aufbringung all seiner Kräfte so laut es ging von sich.
„Wo?“, sagte David bewusst betont.
„Meine Leute haben einer Zimmer im La Quinta Inn and Suites.
„Die Zimmernummer. Wie lautet sie?“ David drückte die Waffe fester ans Knie.
„512.“
„Danke.“ Mit diesen Worten holte David aus schickte Nicolas Lambert in unsanfte Träume.
Dann verband er die Schusswunden notdürftig und lies den Verletzten am Stuhl gefesselt zurück.
Zurück an dem Tisch zur Rechten machte sich David an der vorhandenen Ausrüstung zu schaffen. Er entnahm dem Ausrüstungskoffer zwei weitere Magazine für die Pistole und legte sie zusammen mit einem militärischen Klappmesser auf den Tisch. Hinzu kam ein PDA mit GPS Empfänger und ein Pistolenhalfter mit Clip für die Anbringung an einen Gürtel. Der Messer schob er in die Hosentasche und befestigte den Pistolenhalfter samt Pistole an seinem Gürtel. Der Rest der Sachen verschwand in einer braunen Umhängetasche, die mehr als genug Platz bot, um seine spärliche Ausrüstung darin zu verstauen.
Rasch schwang David die Tasche über die Schulter und seinen Kopf und verlies das Haus. Eilig trugen ihn seine Füße eine Straße entlang zu seinem Auto, dass er in der nächsten Querstrasse geparkt hatte. Mit seinem Handy ermittelte er online die Adresse des Hotels und gab die Adresse im PDA ein. Lange würde er nicht unterwegs sein. 15 Minuten – höchstens.
Er erreichte das Hotel, das schon lange Schatten über die Straße warf. Auf seiner viertelstündigen Fahrt hatte David Matt über die Situation informiert. Dieser gab die Information ans Büro in Seattle weiter, die ein Team zum Safehouse schickten, um Lambert zu versorgen und zu verhaften. Leider konnte der Maulwurf im Büro nach wie vor nicht identifiziert werden und Matt war deswegen spürbar nervös geworden. Es war unklar, wem man noch trauen konnte. Daher fiel es David auch nicht schwer seinen Freund davon zu überzeugen, niemanden von der ATU zum Hotel zu schicken. Dennoch war klar, dass auch Matt die Geheimniskrämerei zunehmend in Schwierigkeiten bringen konnte, wenn jemand anfing Fragen zu stellen.
Vor ihm baute sich das sechsstöckige Gebäude auf und David konzentrierte sich wieder auf das hier und jetzt. Die Hotelfront, schlicht in braun und beige gehalten besaß mittig einen Vorbau, der vorne auf drei Säulen ruhte und unter dem Autos parkten. Der Haupteingang befand sich links neben dem Vorbau. David passierte die Frontseite, bog in die nächste
Seitenstraße und stellte den Wagen ab. Durch eine Seiteneingang, der ihn an einem großen Pool, der zu einem Drittel ins Gebäude hineinragte, auf der Rückseite des Gebäudes vorbeiführte, betrat er das Hotel. Ein kleines, zweites Treppenhaus, brachte ihn auf die gewünschte Etage. Erst als er das kahle Treppenhaus verließ, konnte er zum ersten Mal die Innenausstattung des Hotel erkennen. Es war ein schlichtes, aber nicht heruntergekommenes Hotel. Auch die Flure waren in beige gehalten und vermittelten ein angenehmes aber nicht unbedingt luxuriöses Gefühl.
Nach wenigen Metern nahm David die ersten Zimmernummern war. Es war das Zimmer 515 zu seiner Rechten. Er war also schon ganz in der Nähe. Adrenalin wurde langsam in seinem Körper ausgeschüttet. Das gesuchte Zimmer befand sich also auf der linken Seite. Zwei Türen weiter hatte er sein Ziel erreicht, 512. Er sah den Flur zu beiden Enden hinunter. Niemand war zu sehen. Vorsichtig schraubte er den Schalldämpfer wieder auf die Pistole und steckte die Waffe zurück in den Halfter. Aber wie sollte es nun weitergehen? Fieberhaft dachte er nach. Er konnte schließlich nicht einfach die Tür eintreten. Er hatte ja keine Ahnung davon, wie es in dem Zimmer aussah. Feueralarm, das war eine Möglichkeit. David eilte zum Treppenhaus zurück. Dort war ein Knopf für den Feueralarm. David blickte sich um, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand sah. In diesem Augenblick bog ein Mann am anderen Ende des Flurs um die Ecke und kam direkt auf David zu.
„Mist.“, fluchte dieser leise und als der Mann ihn anstarrte, während er immer näher kam, packte sich David an den Kopf, als fiele im gerade etwas ein, was vergessen hatte. Dann wandte er sich dem Mann zu und schritt ihm entgegen. Die Hände suchten einen Zimmerschlüssel in seinen Taschen, zumindest sollte es so für den Mann aussehen. Sie passierten sich und David nahm nur aus den Augenwinkeln war, dass ihn der Mann beim vorbeigehen misstrauisch musterte. Aber es war David, der zuerst reagierte und sich instinktiv umdrehte. Er hätte sich selbst ohrfeigen können. Auffälliger ging es nicht, doch er hatte Glück. Der andere drehte sich nicht um, blieb aber dafür vor der Zimmertür 512 stehen. David war gute drei Meter von ihm entfernt und sah nun seine vielleicht einzige Chance. Blitzartig drehte er sich auch mit dem Rest seiner Körpers um und wandte sich Zimmer 512 wieder zu. Mit der Vollendung der Bewegung hatte er die Waffe entsichert im beidhändigen Anschlag, die Hände untereinander. Als der Mann an der Tür merkte, dass sich hinter ihm etwas tat, war es auch schon zu spät. David stand nun hinter ihm und packte ihn. Mit der linken Hand nahm er ihm die Waffe ab.
„Mach die Tür auf, vorsichtig.“
Ohne ein Wort zu sagen gehorchte der Mann. Die Tür öffnete sich fast geräuschlos und David schob den Mann vor sich langsam in das Zimmer. Dann taste er mit seinen Blicken das Zimmer ab. Langsam aber dafür so vollständig es möglich war, nahm er den Raum war und auch die Tatsache, das am gegenüberliegenden Ende eine Diele an der Fensterfront entlang aus seinem Blickfeld verschwand. David zog seinem lebendigen Schutzschild die Pistole über den Kopf und der Mann sackte bewusstlos in sich zusammen.
Die Pistole wieder im Anschlag näherte sich David der Ecke und versuchte die Fensterfront vor ihm als Spiegel zu benutzen. Nervosität stieg in ihm auf. Sollte es klappen, sollte er tatsächlich eine Person sehen, die sich den Scheiben spiegelte, so war klar, dass auch er gesehen werden konnte. Er starrte auf die Scheibe, aber es klappte nicht. Alles war er sah, war den Balkon hinter den gläsernen Tür. Behutsam lehnte er sich an die Ecke und spähte kurz um diese. Blonde Haare hingen über eine Stuhllehne. Eine Person saß auf dem Stuhl ca. drei bis vier Meter entfernt und es konnte nur Sarah sein. Erleichterung stieg in David auf. Mit einem schnellen Schritt trat David in die Diele, die Waffe weiterhin im Anschlag. Vorschichtig ging er auf die Person zu und umrundete sie, als er den Raum am Ende der Diele erreichte.
Es war Sarah. Sie sah ängstlich, aber unverletzt aus und ihre Augen begannen zu strahlen, als sie David erblickte. Er nahm ihr den Knebel aus dem Mund und holte das Klappmesser hervor, dass er zuvor mitgenommen hatte.
„David.“, schluchzte das Mädchen. „Die Männer, sie wollten…“, aber mehr verstand David nicht, der Rest ging in Schluchzen unter, als er sie los geschnitten hatte und sie sich um seinen Hals geworfen hatte. David war nun wirklich erleichtert. Es ging ihr gut, das beruhigte ihn. Dann schoss ihm ein gefährlicher Gedanke durch den Kopf. Nur ein Mann? Das konnte nicht stimmen. Ein markerschütternder Schrei, der in ein Kreischen überging bestätigte Davids Gedanken. Er drückte Sarah von sich und drehte sich um. In der Diele an der Fensterfront stand ein weiterer Mann, etwas 1,90 Meter groß. Er hatte den perfekten Körper für eine Kampfmaschine, aber was im Augenblick noch wichtiger war, er hatte eine Waffe direkt auf David und Sarah gerichtet. Instinktiv schob er sie mit seinem Arm komplett hinter sich und weiter zu Seite und damit vom Fenster weg in den Raum hinein und außerhalb des Schussbereichs des Mannes.
„Die Waffe weg, aber ganz langsam.“, kommandierte der Mann. David denk schneller nach.
Aber er hatte keine Zeit.
„Okay, nicht schießen, ich lege sie weg.“, entgegnete David. „Du kommst hier nicht raus. Verstärkung ist längst auf dem Weg. Die werden jeden Augenblick hier eintreffen.“
„Netter Versuch.“, entgegnete der Mann mit einer Überheblichkeit, die David nur zu gerne ausnutzen würde. Das Problem war nur, es würde niemand kommen. Er selbst hatte Matt davon abgeraten, Verstärkung zu schicken, solange nicht klar war, wer der Maulwurf war. Langsam legte er die Waffe auf den Boden.
„Schieb sie hier rüber.“ David folgte der Anweisung und schob die Waffe mit seinem Fuß in die Richtung der Kampfmaschine.
„Jetzt leg die Tasche ab.“ David gehorchte und zog den Trageriemen über seinen Kopf
„Du kannst mich nicht erschießen. Den Schuss hört man durchs ganze Hotel.“
Der Mann lächelte, als er mit der anderen Hand einen Schalldämpfer hervorzog. Das war sie, die einzige Chance. David Packte die Riemen der Tasche, die er schon fast abgelegt hatte, am Ende in der Nähe der Tasche und schleuderte sie dem Mann mit Waffe entgegen. Er wurde von der Tasche mit voller Wucht getroffen. David gewann Zeit, vielleicht eine Sekunde, aber mehr brauchte er auch nicht. Er machte einen Satz nach vorne. Mit der linken Hand packte er beim vorbeilaufen eine Vase mit Blumen, die an der Wandseite auf einem Highboard stand. Noch eher der Mann die Waffe erneut auf David richten konnte donnerte die Vase auf seinen Kopf nieder. Der Schlag riss ihn von den Beinen und er verlor die Waffe. Die zerbrochene Vase erledigte ihn aber nicht. David stürzte sich auf den Fremden, aber dieser reagierte reflexartig und beförderte David mit einem gezielten Tritt ebenfalls zu Boden. Noch ehe David wieder auf den Beinen war, donnerte ihm ein Schlag des Mannes, der anscheinend nicht nur rein optisch durchtrainiert war, entgegen. Nur mit größer Mühe konnte er seinen Schlag parieren. Die Schläge und Tritte waren nur reflexartig, ohne großes Planen oder überlegen, abzufangen. Eine weitere Vase ging zu Bruch als David gegen den Tisch stieß, auf dem die Vase stand. Seine Hand ertaste eine Stift, den er in eine Waffe umfunktionierte und dem Mann in dem Arm rammte. Fast unbeeindruckt davon kämpfte dieser weiter und traf Davids Rippen einmal und noch einmal, bevor dieser zum Gegenschlag ausholen konnte. Durch das hohe Tempo des Schlagabtauschs nahm David Sarahs Schreie nur am Rande war. Er durfte den Focus nicht verlieren. Davon hing ihrer beider Leben ab. Ein Messer blitzte auf und David wurde zunehmend zu passiven Handlungen gedrängt. Die scharfe Klinge erwischte ihn am Arm und hinterließ eine blutende Wunde. David nahm einen weiteren Körper im hinteren Teil des Hotelzimmer war, da wo Sarah zuvor gefesselt war. Er konnte einem gefährlichen Stoß der Klinge nur knapp ausweichen, erkannte aber darin seine Chance. In
einer flüssigen Bewegung drehte er sich in den Körper seine Feindes. Mit einem gezielten Schlag entwaffnete er ihn. Das Messer rutschte außer Sichtweite. Die kräftigen Arme das Mannes umfassten David Hals und blitzartig erkannte er die Schwäche seines Plans. Nun hatte der Angreifer die Oberhand. Er schnürte David die Luft ab. David stürzte rückwärts in der Hoffnung seinen Angreifer loszuwerden, wenn er in gegen die Wand hinter ihnen drückte. Aber es half nicht. Händeringend suchte er nach eine Lösung, aber nun spürte er, wie mit dem Sauerstoff auch seine Kraft zu schwinden drohte. Was ihm aber noch mehr die Luft nahm, war das, was sich am anderen Ende Zimmers abspielte. Sarah war offensichtlich auf den Balkon hinaus geflüchtet und auf das Gelände gestiegen. Weiter konnte sie nicht zurückweichen und der zweite Mann, der hinter Sarah her war, wo auch immer er hergekommen war, hatte sie jeden Moment erreicht. Einen Meter noch, einen halben Meter. Ein Schrei und David konnte Sarah nicht mehr sehen. Der Mann blieb wie erstarrt stehen.
David beugte sich mit letzter Kraft vor und stieß mit aller Kraft des Universums mit seinem Kopf zurück und zerschmetterte des Nasenbein des Mannes hinter ihm, als dieser mit seinem Kopf gegen die Wand donnerte. Dieser ließ David sofort los, der nach vorne kippte, direkt auf seine Pistole, die er zuvor dorthin gestoßen hatte. Er ergriff sie drehte sich um und feuerte zweimal. Schlaff sank der Körper seines Angreifers an der Wand zu Boden. Noch bevor der Körper den Boden erreichte, drehte David sich erneut um und zielte auf den Mann auf dem Balkon, der nun auch mitbekommen hatte, was im Zimmer passierte. Noch bevor er aktiv handeln konnte gingen die Scheiben, die den Balkon vom Zimmer trennten zu Bruch und zwei Kugeln aus Davids Waffe drangen in seine Brust ein.
David stand mühsam auf und rang nach Luft, als er zum zweiten Mal realisierte, dass Sarah verschwunden war. Stolpernd kam er auf dem Balkon an und blickte entsetzt über die Brüstung nach unten. Er wusste nicht ob Sarah gesprungen oder abgerutscht war, aber das spielte auch keine Rolle. Er sah den Körper im Pool treiben. Ungläubig starrte David nach unten. Der Pool, der große Pool, der ins Gebäude hineinragte. Ohne weiter drüber nachzudenken kletterte David auf die Brüstung und sprang. Der Sprung und der damit verbundene freie Fall aus dem fünften Stock dauerte entsetzlich lange. Dann drangen Davids Füße ins Wasser ein. Mit seinem Körper, der nun vollständig im Wasser war, drehte er nach vorne ab und lenkte damit die Geschwindigkeit zugleich in eine andere Richtung und bremste ab. Nach Luft schnappend tauchte er auf und schwamm zu Sarah, zum Beckenrand. Dorthin hatte ein weiter Hotelgast das Mädchen gezogen. David packte mit an und gemeinsam zogen sie Sarah aus dem Wasser.
„Sarah hörst du mich?“. Davids Herz raste vor Aufregung. Auslöser dafür war mehr, die Tatsache, dass Sarah aus dem fünften Stock in einen Pool gefallen war, als sein eigener waghalsiger Sprung ihr hinterher. David wusste, aus solcher Höher das Wasser hart wie Stein sein konnte, wenn man falsch Aufschlug. Noch niemals zuvor spürte er soviel Adrenalin in sich aufsteigen.. „Tu mir das nicht an.“ Er beugte sich über den Mund des Mädchen und kontrollierte ihren Atem. „Verdammt atme!“ Nach dem er sichergestellt hatte, dass die Atemwege frei waren, packte David ihren Kopf und überstreckte ihn, um mit der Beatmung beginne zu können. „“Rufen Sie einen Krankenwagen!“, schrie er eine der Personen an, die sich um sie gescharrt hatten. „Bitte, Sarah!“ Der Brustkorb hob sich sichtbar, die Beatmung funktionierte also. Nach zwei Beatmungsversuchen wechselte er zur Herzdruckmassage. Unablässig machte David weiter, ohne Anzeichen irgendeines Erfolgs. Nach 30 Herzdruckmassagen beatmete er das Mädchen zweimal und fuhr wieder mit der Herdruckmassage fort. Er musste es einfach schaffen. Auf keinen Fall durfte sie sterben. Das würde er sich nicht verzeihen. Es verging eine Ewigkeit ohne das Rettungskräfte eintrafen. Zumindest kam es David wie eine Ewigkeit vor. Als er zum sechsten oder siebten Mal zur Herdruckmassage wechselte, hörte er endlich in weiter Ferne Sirenen ertönen.
„Bitte Sarah, halt durch! Du darfst nicht sterben! Komm schon!“, brüllte er mit Leibeskräften von sich. Die Sirenen wurden lauter und einen Raunen ging durch die nun vorhandenen Menschmenge. Dann endlich gab die Menge zwei Männer frei, die sich zum ihm und Sarah durchkämpften.
„Bitte machen sie Platz!“, sagte der eine, offensichtlich ein Arzt. „Ich bin Dr. Mulmac. Ich übernehme das.“ David wich erschöpft zurück.
„Keine Atmung kein Puls! Wie lange machen Sie schon die Wiederbelebungsmaßnahmen?“ fragte der Sanitäter.“
„Keine Ahnung.“, antwortete David, der sich nun langsam hinsetzte.
Die Rettungskräfte hatten nun die Reanimierungsmaßnhamen übernommen.
„Sie reagiert nicht.“ Das nun angeschlossene EKG zeigte eine Nulllinie.
„Asystolie.“
David zog die Beine an und versenkte sein Gesicht in den Knien.