Kapitel 7: Ein Prinz kehrt heim
Kurz nach Duncans Abreise aus London fügten die französischen Truppen dem Heer der Engländer bei der Ortschaft Fontenoy eine schwere Niederlage zu.
Charles Edward Stuart, der daraufhin große Hoffnungen hegte, dass König Louis nun doch Partei für die Sache der Jakobiten ergreifen würde, sah sich wiederrum enttäuscht: Die Rebellion würde auch weiterhin ohne Unterstützung Frankreichs bleiben. Dennoch entschloss sich der Prinz jetzt zu handeln.
Duncan, der sowohl Vertrauter als auch Berater des Prinzen war, wusste genau, wann dieser von Nantes in Richtung Schottland aufbrechen würde.
Aus dem Erlös, dem ihm die Verpfändung der von seiner Mutter überlassenen Rubine eingebracht hatte, rüstete Charles Edward Stuart die Fregatte „Doutelle“ und ein weiteres Schiff, welches des Namen „Elizabeth“ trug aus, und wollte gen Schottland segeln.
Wenige Tage später wurde Mac die Nachricht zugespielt, dass die „Elizabeth“ von den englischen Verfolgern geschnappt und in den Hafen von Nantes zurückgebracht worden war. Die „Doutelle“ hingegen – an Bord derer sich auch der Prinz befand – hatte den Engländern entkommen können und segelte langsam aber sicher auf Schottlands Küste zu.
Am 25. Juni des Jahres 1745 betrat Bonnie Prince Charlie, wie er von den Menschen in Schottland liebevoll genannt wurde, zum ersten Mal in seinem Leben britischen Boden. Seine Ankunft erfolgte jedoch still und heimlich, und nicht, wie von vielen erwartet worden war, im großen Triumph.
Er landete auf der Insel Eriskay. Dort wurde er vom hiesigen Clanchef, dem MacDonald of Boisdale, mit den Worte empfangen, doch schnellstmöglich nach Frankreich in das ihm wohlbekannte Leben zurückzukehren. Charles Erwiderung darauf war kurz und prägnant: „Ich bin nach Hause gekommen.“ meinte er lediglich zum MacDonald.
Von der kleinen Insel an der Westküste Schottlands reisten er und sieben seiner Getreuen, zu denen auch Duncan gehörte, auf das Festland hinüber. Doch auch hier wurden Sie mehr besorgt denn begeistert empfangen. Um der allgemein vorherrschenden Skepsis entgegen zu wirken, entschloss sich der Prinz, Duncan und einige andere als Botschafter auszusenden. Sie sollten um die Unterstützung der Clanchiefs buhlen. Ausgerüstet mit Briefen an dieselbigen machten sie sich auf den Weg.
Der Brief an Cameron of Lochshiel wurde durch Warren Cochrane übergeben.
Lochiel sagte seine Unterstützung nur widerstrebend und schweren Herzens zu, erklärte sich letztendlich aber dennoch bereit, Charles Edward Stuart zu unterstützen. Somit hatte dieser einen weiteren wichtigen Verbündeten gewonnen.
Und so begab es sich dann, dass in den frühen Morgenstunden des 19. August 1745 in Glenfinnan vor etwa 1.500 Getreuen die Standarte erhoben wurde. Charles Edward Stuart wurde in Abwesenheit seines Vaters zum Regenten erklärt. Sein Vater James zum König James VIII. von Schottland und James III. von England ausgerufen.
Duncan selbst war bei dieser feierlichen Zeremonie nicht zugegen, da er noch immer – um Unterstützung für die Sache des Jakobiten ringend – die Highlands durchstreifte.
Er stieß erst knapp zwei Tage später auf die kleine Streitmacht, die sich langsam in Richtung Osten vorwärts bewegte und nun in zunehmendem Maße an Stärke gewann.
Die Clans versammelten sich. Es wurden Gelöbnisse abgelegt. Zu den vielen Männern, die sie sich von ihren Familien verabschiedet hatten, um mit Bonnie Prince Charlie ins Gefecht zu ziehen, gehörten auch Colin und Kyle Maclean. Niemand wusste, was sie auf diesem Marsch ins Ungewisse erwarten würde, aber die Menschen hatten endlich wieder Hoffnung…
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Die Stimmung unter den Männern hätte nicht besser sein können. Wie Duncan es vorhergesehen hatte, genügten der Enthusiasmus und die persönliche Ausstrahlung von Charles Edward Stuart um die Männer zusammenzuschweißen. Dachten diese an das vor ihnen Liegende, so verschwendeten sie keine Gedanken an Tod, Niederlage oder ihre eigene Sterblichkeit, sondern vielmehr an einen Sieg und die wiederkehrende Gerechtigkeit.
Das gute spätsommerliche Wetter hielt an. Viele der Männer waren davon überzeugt, dass Gott schützend die Hand über die Sache der Jakobiten hielt. Und fast schien es so, als könne nichts aber auch gar nichts die begonnene Rebellion aufhalten.
Vergessen waren in diesem Moment der Verlust von Männern und Waffen, der mit dem Eroberung der "Elizabeth" durch die Engländer einhergegangen war. Dem Großteil der Männer die sich dem Prinzen angeschlossen hatten, war es so, als ob sie am Anfang eines großen Abenteuers stehen würden.
Einige Tage später erhielt der Stab um Charles Edward Stuart die Nachricht, dass unter Führung von General John Cope eine Armee in Richtung Norden entsandt worden war. Umgehend überbrachte Duncan dieses Schreiben dem Prinzen. Als dieser davon erfuhr, war in seinen Augen ein undefinierbarer Glanz zu erkennen und er lächelte. Dann sagte er: „Es geht endlich los. Wir werden kämpfen.“
„Es hat ganz den Anschein, Eure Hoheit.“
Charles Edward Stuarts ließ seinen Blick über das Lager schweifen. Hier roch es nach Pferden, Soldaten und dem Rauch, welcher von den ersterbenden Feuern herrührte, die ringsum im Lager am vorherigen Abend entzündet worden waren, um die Männer zu wärmen.
„Mich dünkt, dass heute ein guter Tag für einen Kampf ist.“ sagte Charles und drehte sich zu Duncan um, der direkt hinter ihm stand und ziemlich nachdenklich wirkte.
„Sagt es nicht, Duncan. Ich weiß, was Euch durch den Kopf geht. Ihr würdet es vorziehen, wenn Lord Murray bei uns wäre, nicht wahr?“
„Eure Hoheit, George Murray ist einer der besten Strategen und Feldmarschalle, die dieses Land je hervorgebracht hat. Er könnte…“
„Ich weiß.“ sagte der Prinz unterbrach damit Duncans Ausführungen.
„Wir haben aber doch noch O’Sullivan.“ Charles deutete durch ein Kopfnicken auf den irischen Haudegen und Glücksritter, der sich just in diesem Moment umblickte und den beiden Männern einen Blick zuwarf, dann kümmerte er sich weiter um den Abbau des Lagers.
Duncan standen die Zweifel bezüglich O’Sullivans Fähigkeiten als Heerführer buchstäblich im Gesicht geschrieben. Er zweifelte keineswegs an dessen Loyalität gegenüber dem Prinzen, hielt den Iren jedoch für viel zu draufgängerisch und wenig bedacht. Er verkniff sich jedoch, gegenüber Charles diesbezüglich jeglichen Kommentars und sagte nur schlicht und ergreifend: „Wenn es zum Kampf kommt, wird jeder Einzelne der hier anwesenden Männer hinter Euch stehen und für Euch kämpfen.“
„Ich harre schon der Dinge, die auf uns zukommen werden, mon Ami.“
Ebenso wie Duncan, der schon seit der Ankunft des Prinzen in Schottland in die Kluft eines typischen Hochlandschotten geschlüpft war, war auch Charles in der Tracht eines Hochländers gekleidet, wobei Kilt und Plaid die Farben des Hauses Stuarts aufwiesen, zudem trug er an seiner Mütze die weiße Konkarde - das Wahrzeichen seines Geburtshauses. Er berührte den Griff seines Schwertes, dann sah er sich um. Die Gefühle, die er für dieses Land empfand, waren tief und aufrichtig, und er bedauerte es zutiefst, dass er den Weg hierher nicht eher gefunden hatte. Wenn er König wurde, würde er dafür sorgen, dass Schottland wieder aufatmen konnte.
Seine Gedankengänge plötzlich unterbrechend sagte er zu Duncan: „Es war ein weiter, weiter Weg von König Louis’ Hof in Versailles hierher in dieses Land. Aber ich glaube es hat sich gelohnt.“
„Das war er wirklich, Eure Hoheit.“ stimmte Duncan zu. „Aber eine Reise, die der Mühe und der Strapazen wert war.“
„Als ihr Paris verlassen habt, habt ihr eine ganze Reihe gebrochener Herzen zurückgelassen. Viele der jungen Damen dort haben Euretwegen zahlreiche Tränen vergossen. Es mag Euch nicht recht bewusst gewesen sein, Duncan, aber Ihr wart einer der meist begehrtesten Männer am französischen Hof. Die hübsche Anne-Claire hat sich nach Eurer Abreise tagelang die Augen ausgeweint. Sie konnte nicht verstehen, warum ihr sang- und klanglos und ohne ein weiteres Wort verschwunden seid.“
„Im Moment gibt es Wichtigeres. Ich habe keine Zeit für irgendwelche Tändeleien.“ war Macs einzige Erwiderung darauf.
© Norina Becker (Februar 2009)

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