Rioghachd nan Eilean - Königreich des Lichts
  14. Freunde
 

Kapitel 14: Freunde

„Du bist doch verrückt!“, rief sie David über ihre Schulter zu. Dieser saß hinter hier, oder besser gesagt, sie saß quasi auf seinem Schoß. Es war insgesamt nicht die bequemste Position, aber sie war zweckdienlich.

„Ich weiß nicht, ob ich das noch möchte. Das hatte ich eigentlich nicht mit fehlender Spannung in meinem Leben gemeint.“ Ihre Stimme war trotz Rufens kaum zu hören, da die Motoren zu beiden Seiten einfach zu laut waren, auch nach dem diese nun leicht gedrosselt wurden. Trotzdem hatte er sie verstanden, genoss aber den Umstand, dass Ginny das nicht wusste.

Da saß sie und wusste nicht, wie es soweit kommen konnte. Sicher sie wollte mehr Abenteuer in Ihrem Leben, das hatte Sie David erzählt, aber dass er direkt ernst machen würde, hatte sie nicht erwartet und David genoss jeden Moment.

„Dass machst du doch nur, um mich zu ärgern“, rief sie ihm zu, den Kopf wieder zur Seite gedreht.

„Nein, ich tue Dir einen Gefallen.“, rief er zurück, grinste aber immer noch.

Ginny trug einen Wind abweisenden schwarzblauen Sportanzug mit einem Ganzkörpergurt darüber. Mit Karabinerhaken war sie an Davids Gurt befestigt. Zwei Haken auf Schulterhöhe, zwei auf Gürtelhöhe. Ihr rotes Haar war zusammengebunden und nur vereinzelt zuckte hier und da eine Strähne über ihr Gesicht. Eine dicke Brille, die wie eine Ski-Brille aussah verdeckte zur Zeit ihre Stirn.

„Ganz ruhig.“, rief David. Er versuchte sie zu beruhigen und tätschelte so gut es ging ihre Schulter, was nicht ganz einfach ist wenn man eng aneinander gegurtet ist.

Zunehmend schoss nun auch bei David das Adrenalin durch seinen Körper, als der Mann neben ihm rief:

„Noch eine Minute.“ David bestätigte dies und zog seine Brille über die Augen. Ginny tat es ihm gleich. Sie wagte es nicht zur Seite und damit aus dem kleinen Fenster zu blicken. Die Sekunden tickten vor sich hin und Ginny wurde nervöser.

„30 Sekunden!“, rief der Mann und David stand zusammen mit Ginny auf. Ein letztes Mal kontrollierte er die Karabiner. Ginny drehte ihren Kopf so gut es ging zur Seite, dann weiter nach hinten und blickte über Ihre Schulter. Ihr Blick sagte nur David, wohin wandern da deine Hände. David erwiderte den Blick und lächelte, „Ganz ruhig. “, wiederholte er, „Das war der letzte Check. Alles in Ordnung.“ Gemeinsam gingen sie vorwärts, stück für stück. David hangelte sich dabei von Halteschlaufe zu Halteschlaufe. Diese waren an der Decke in geringen Abständen an einer Stange verteilt. Der Wind blies den beiden nun kräftiger um die Ohren. Die hintere Luke war offen.

„10 Sekunden!“, ertönte die Stimme erneut.

Die Konzentration und Spannung stieg nun deutlich an. Bei David war es mehr die Konzentration, bei Ginny deutlich Spannung, oder eher Anspannung.

„Und los!“

Als David die Wörter vernahm machte er zwei weitere Schritte nach vorne und sprang leicht nach vorne. Ginny tat es ihm zwangsläufig gleich und bevor in ihr ernsthafte Zweifel aufsteigen konnten, befanden sie sich im freien Fall. David verlagerte sein Gewicht nach hinten, so dass sie eine Rolle rückwärts machten.

Das Flugzeug, aus deren hinterer Rampe sie gesprungen waren entfernte sich schnell und Ginny und David fielen aus 4000 Metern Höhe der Erde entgegen. Wie in der Einweisung besprochen und erklärt, aber doch irgendwie reflexartig breite Ginny unmittelbar nach David die Arme aus. Wind schlug ihnen ins Gesicht, aber es war ein unbeschreibliches Gefühl, so als würde man, nun ja,....fliegen. Das Atmen war auch bei rund 200 km/h möglich. Die

Aussicht war wunderbar und das Gefühl des Fliegens und der damit verbundenen Freiheit noch viel großartiger. Ginny strahlte, jegliche Anspannung schien nun verflogen. David packte ihre Hände, die sie schon wieder zum Körper führte und streckte sie weit von sich, wie bei einem triumphalen Siegessprung. Dann drehten sie sich horizontal um die eigene Achse. Ein sagenhaftes Panorama umgab sie.

Nach ca. 60 Sekunden, die für David und vor allem für Ginny viel zu schnell vorbei gingen, hatten sie schon gute zweieinhalb Kilometer an Höhe verloren und die Landschaft unter ihnen war nun deutlich größer geworden. Der Orange Municipal Airport unter ihnen nahm konkrete Formen an und es war Zeit, den Fallschirm zu öffnen. David gab Ginny ein Zeichen, so dass sie wusste, dass es jetzt einen deutlichen Ruck geben würde und kurz darauf zog er an der Reißleine wodurch der Hauptschirm geöffnet wurde. Aus dem freien Fall wurde ein Gleitflug. Ginny schrie vor Begeisterung, die auch nach wie vor andauerte. Nun war der Flug deutlich weniger anstrengend, aber auch deutlich weniger spannend. Das Beste am Sprung ist der freie Fall, dachte auch David. Nichts desto trotz war es ein tolles Gefühl und auch er spürte eine Freiheit, wie er sie lange nicht mehr erlebt hatte. Ihm tat dieser Sprung mindestens genauso gut wie Ginny.

Sie flogen ein Kurve und drehten vom eigentlichen Ziel weg, um die Höhe in einem großen Bogen um den Flughafen herum abzubauen.

David beobachtete, wie Ginny, den Flug, den Ausblick, alles in sich aufnahm und er wusste, dieser Ausflug in die gut 100 km entfernte Stadt Orange hatte sich gelohnt. Es war sehr vorteilhaft, dass er an dem Sportflugplatz, der Teil des eigentlichen Airports war, einen Freund hatte.

 

Juls Noweck war ein ehemaliger Soldat, der mit David zusammen gedient hatte. Nach seiner Armee-Zeit wurde er Flugzeug- und Fallschirmsprung-Lehrer in Orange. Dort blieb er bis zum heutigen Tag. Nur dieser Freundschaft hatte er es zu verdanken, dass er mit Ginny einen Tandemsprung machen konnte. Normalerweise ist dies nur mit einem Lehrer erlaubt. Aber nach einiger Überzeugungsarbeit von David, hatte Juls zugestimmt und David konnte mit Ginny zusammen springen.

„Und bau ja keinen Mist da oben!“, waren die letzten Worte, die er David hinterher rief, als er im Begriff war, ins Flugzeug zu steigen.

 

David steuerte in eine weitere Kurve, vollendete diese und der Flughafen lag wieder voraus. Vereinzelt standen ein paar Menschen auf einer Rasenfläche abseits der eigentlichen Piste und schauten ihnen entgegen.

„Das ist traumhaft“, sagte Ginny ihm immer wieder über ihre Schulter. In dieser Höhe war die Verständigung kein Problem mehr. Sie flogen eine weitere Kurve, in der sie Höhe verlieren konnten, dann erfolgte der finale Anflug. Der Boden kam näher und David hielt genau auf die Rasenfläche zu.

„Füße nach vorne ausstrecken.“, sagte er und tat dies nun ebenfalls. Dann setzten sie sanft mit dem Allerwertesten auf - und waren wieder auf festem Untergrund. Der Fallschirm ging vor ihnen zu Boden und David löste die Karabiner Harken, damit Ginny aufstehen konnte.

„Juls kam herbei geeilt, als Ginny gerade aufstand.

„Alles in Ordnung?“, fragte er. Sie lief ihm vor Begeisterung in die Arme.

„Das war Wahnsinn!“ rief sie, noch immer völlig aufgedreht. David, der sich von dem Schirm getrennt hatte, war aufgestanden und kam nun auf die beiden zu. Ginny löste sich von Juls und rannte nun auf David zu. Sie sprang ihm förmlich in die Arme und drückte ihn an sich.

„Das war so super.“, stürmte die Begeisterung noch immer ungebrochen aus ihr heraus. David lächelte und freute sich, das es ihr gefallen hatte. Langsam löste sie sich von ihm und sie

sahen sich direkt an. Ginny`s Augen funkelten und David war überrascht. Er erkannte in diesen Augen das gleichen Funkeln und Leuchten, dass er so sehr an Alexa geliebt hatte. Sofort fröstelte es ihn, aber Ginny neigte sich vor, näher an David heran und Davids Gefühle spielten verrückt. Er konnte nicht mehr denken, keinen klaren Gedanken fassen. Was auch immer passieren würde, würde passieren, es war ihm egal, nein er freute sich. Er wollte gerade die Augen schließen, da bemerkte er, dass Ginny inne hielt und ihre Augen, die sie schon halb geschlossen hielt, wieder öffnete. Sie trennten nur wenige Zentimeter von einander und David hielt dem funkelnden Blick von ihr stand. Es vergingen ein, vielleicht zwei Sekunden, aber David kam es wie eine Ewigkeit vor. Er war unfähig zu handeln, aber sie offensichtlich auch. Sollte er den letzten Schritt machen und sie küssen? War es richtig? Und gegenüber wem? Alexa? Kevin?

Ginny hatte offensichtlich den selben Gedanken und umarmte ihn noch mal. Dann lösten sie sich voneinander.

„Schöne Landung, mein Freund.“, unterbrach Juls nun den Augenblick und die Welt um sie herum füllte sich wieder mit Leben.

„Du solltest den Schirm vom Rasen holen.“, sagte Juls.

„Natürlich, packst du mal mit an?“

 

Nachdem sie sich wieder umgezogen hatten, saßen sie zu dritt beieinander. Die üblichen Fragen, wie „Wie geht’s?“ und „Wo warst du“ hatten sie bereits am Vormittag, als sie am Flughafen ankamen und Juls trafen, geklärt. Somit blieb jetzt am Nachmittag noch Zeit um über gemeinsame Erinnerungen zu sprechen und Ginny war ein interessierte Zuhörerin.

Nach einer guten Dreiviertelstunde wurde das Thema wieder aktueller.

„Was machst du so beruflich?“

„Im Augenblick?“, erwiderte David. „Im Augenblick mache ich gerade eine kreative Pause.“

„Ich hätte da nen Job für dich. Was hältst du davon Tandemsprünge zu machen?“ David überlegte. Eigentlich hatte er sich bisher keine Gedanken über einen neuen Job gemacht.

„Die Bezahlung ist natürlich nicht die Beste, aber dafür ist der Job toll.“

„Ich weiß nicht, Juls. Ich versuche gerade mein Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.“

„Genau, was gibt es da besseres, als nen Job.“

„Ich bitte dich Juls, ich wohne 100km entfernt.“

„Ich hätte da noch ein Zimmer frei.“

„Danke, aber ich bin gerade erst umgezogen.“

„Ach komm schon. Der alten Zeiten wegen.“

„Ich denke drüber nach, mehr kann ich dir nicht versprechen.“

Schließlich verabschiedeten sie sich voneinander und David versprach, öfters mal vorbei zu schauen auch wenn er den Job ablehnen sollte.

 

Auf der gesamten Rückfahrt nach Boston sprach Ginny über den Sprung und den Flug. Sie war nach wie vor begeistert und David war sich sicher, dass sie noch immer einen erhöhten Adrenalinwert hatte. Allerdings vermied sie während der Fahrt auf diesen kurzen Moment nach der Landung einzugehen. Auch David, hielt sich bedeckt, was dieses Thema anging. Was auch immer es war, was auch immer es für jeden von beiden bedeutete. Eines war David klar. Irgendwann mussten sie darüber sprechen.

Angesichts dieses unausgesprochenen Themas wusste er nicht, ob es so eine gute Idee war, die Einladung zum Abendessen von Ginny anzunehmen. Aber da auch alles mit Kevin bereits vorher abgesprochen war und David vor dem Ausflug nach Orange die Einladung angenommen hatte, konnte er diese nun schlecht ausschlagen.

In den frühen Abendstunden kamen sie in Boston an. Ginny wohnte mit Kevin zusammen auf der zweiten Etage in einem Mehrfamilienhaus westlich von Downtown Boston. Das schöne an dem Viertel war, dass trotz starker Blockbebauung stets auf Grünflächen in den Innenhöfen und sonstiger Bepflanzung vor den Häusern geachtet wurde. Teilweise hausgroße Bäume warfen Schatten über die Straße. Dies alles gab dem Viertel etwas Gemütliches und machte den Teil von Boston nicht gerade zum allerbilligsten Stadtteil. David parkte direkt vor dem Wohnhaus und Kevin begrüßte die beiden, als sie die Wohnung betraten. Er reichte David die Hand, nachdem er Ginny geküsst hatte. David versuchte den Kuss nicht zur Kenntnis zu nehmen.

Kevin Howard, war ein 1,85 Meter großer 29 Jähriger Mann, gut aussehend und ein sportliche Statur. Nur seine Nase schien irgendwie etwas zu klein geraten zu sein, aber diesen Gedanken unterdrückte David dann auch.

„So, sind also der berühmte David Fox.“, begrüßte ihn Kevin. David wusste nicht so recht, wie das gemeint war. Begann hier ein kleiner Krieg?

„Berühmt ist relativ.“, antwortete er und hoffte damit das Eis etwas zu brechen.

„Verstehen Sie mich nicht falsch…“, fuhr Ginnys Freund fort, doch wurde direkt von David unterbrochen. „Brauchen wir das Sie? Ich bin David.“

„In Ordnung, ich bin Kevin.“ Erneut hatte er Kevin den Wind aus den Segeln genommen und hoffte, das er es damit nicht zu weit getrieben hatte.

„David, verzeihen sie die flapsige Bemerkung von gerade, es ist nur so, dass ich Ginny in den letzten eineinhalb Jahren sehr wenig gesehen habe. Sie war ständig unterwegs, am telefonieren oder arbeiten. Und wenn ich mit ihr Zeit verbringen konnte, viel sehr oft Ihr,....dein Name. Sie hat sehr viel für dich getan.“

„Ja, ich weiß, aber was erwartest du jetzt von mir?“

„Ich erwarte nichts, außer das du verstehst, dass ich durchaus etwas eifersüchtig war oder vielleicht auch noch bin.“

„Hey Jungs“, unterbrach Ginny die beiden. „Müssen wir jetzt davon reden? Ihr wisst beide warum ich das getan habe. Es hat etwas gebracht und es ist vorbei. Reicht das nicht?“

„Du hast recht Schatz.“, lenkte Kevin nach einem Augenblick ein und küsste sie. „Tut mir leid. Auch gegenüber dir, David. Ich weiß, ihr habt irgendeine gemeinsame Vergangenheit und das akzeptiere ich.“

David wusste nicht, wir er am besten darauf reagierte, also nickte er nur kurz und hoffte, das Thema sei nun erledigt, ganz besonders im Hinblick auf die Ereignisse am Nachmittag.

 

An dem Abend gab es einen leckeren Braten, den alle drei zusammen zubereiteten. Dabei gab es gute Möglichkeiten sich kennen zu lernen und David, der sich dann doch nur auf das Nötigste und „normalste“ seinerseits beschränkte, musste zugeben, dass Kevin eigentlich kein allzu schlechter Kerl war. Es stellte sich heraus, das Kevin Administrator bei einem Informationsdienstleister war und anscheinend ein recht hohes Ansehen genoß.

Der Abend verlief angenehm, aber hier und da meinte David zu erkennen, dass Ginny sich aus vielen Diskussionen zu schnell herauswand, als hätte sie keine Lust auf Konfrontationskurs zu gehen. Dabei waren es nur allgemeine Diskussionen. So bekräftigte sich sein Eindruck, dass die offensichtlich herrschende Lockerheit im Raum in Wahrheit gar nicht so locker war.

 

Als sie sich verabschiedeten freute sich David auf sein Bett. Er war erschöpft, denn der Tag war lang und anstrengend. Er parkte sein Auto am Pier und ging den Steg entlang zu seiner Yacht. Dabei bemerkte er mal wieder, dass die Beleuchtung wirklich besser sein könnte. Dennoch erreichte er sich sein Boot ohne Zwischenfälle und als er die Kabinentür hinter sich schloss, musste er kräftig gähnen. Allerdings gingen ihm Kevins Worte nicht aus dem Kopf

und er versuchte gegen diese Gedanken zu argumentieren. Natürlich kann ich Ihn verstehen. Wegen mir, musste er sehr viel auf Ginny verzichten. Aber da kann ich nun mal nichts für. Ich hab ihr ja nicht gesagt, dass sie mich suchen soll. Wieso rechtfertige ich mich überhaupt dafür?

Ohne Vorwarnung schlug es auf Ihn ein, wie ein Hammerschlag, fester und fester. Alle Gedanken wurden aus seinem Kopf verdrängt. Ein Kribbeln durchlief jeden Millimeter seines Körpers, als er den heftigen Buzz spürte. Einen Moment lang war er irritiert, dann konnte er das Gefühl zuordnen. Er sprang auf, aber in gleicher Intensität wie der Buzz ihn traf, traf ihn nun die Erkenntnis. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Verdammt, wie konnte mir das passieren? Er hatte kein Schwert. Seins hatte er bei dem Kampf im Lagerhaus vor 20 Monaten eingebüsst. Alexa hatte zuletzt damit gekämpft, bevor sie starb und bevor es Dunkel vor Davids Augen wurde. Er hat nie erfahren, was mit dem Schwert geschah. Interessanterweise wurde er auch bei den Ermittlungen nie danach gefragt. Selbst Matt hatte keine Andeutungen diesbezüglich gemacht. Aber wie um alles in der Welt konnte er das vergessen haben. Das Schwert war für einen Unsterblichen das Wichtigste überhaupt. Das hatte ihm damals Benjamin eingehämmert. Und jetzt war all dies für die Katz.

Es half nichts. Jemand war bereits da. Wenn er jetzt die Kabinentür öffnete und hinausspähte, könnte das seine letzte Handlung gewesen sein. Die Pistole, du Depp hast sie natürlich nicht mitgenommen. Von wegen, ich bin damit fertig. Offensichtlich kann ich diesem Leben nicht entkommen.

Konzentration war angesagt. Welcher Möglichkeiten hatte er? Seine Gedanken zogen wie eine schnelle Diashow an ihm vorbei. Dann sah er draußen einen Schatten vorbei huschen und nutzte die Gelegenheit. Wenn dieserJjemand draußen an der Seite vorbei huschte, konnte er nicht gleichzeitig an der Kabinentür sein. David rannte los und stieß die Kabinentür geduckt auf, als er die paar Stufen hoch gerannt war. Er drehte sich um und suchte den anderen Unsterblichen. Gleichzeitig versuchte er wieder aufzustehen und sich kampfbereit zu machen. Sein Blick blieb an einer Person haften. Sie stand auf dem Steg neben der Yacht und sah David verständnislos und überrascht an.

„Hey David, was ist denn mit dir los?“

David traute seinen Augen nicht.

„Also mit dir hätte ich jetzt am wenigsten gerechnet. Was machst du hier?“

„Na ich hab gehört, dass du wieder in der Stadt bist. Da dachte ich mir, ich sag mal hallo zu nem alten Freund.“

„Hm.“, machte David, der nicht wusste, was er dazu sagen sollte.

„Na was ist, kann ich an Bord kommen? Oder muss ich hier warten, bist du deine Turnübungen beendet hast.“

„Ja ja, schon gut.“, knurrte David und winkte ihn an Bord, während er aufstand. Benjamin Benett betrat die Yacht und reichte David die Hand.

„Ist ne Weile her. Wo warst du, David?“

„Das, mein Freund, ist ne lange Geschichte.“

Er führte Ben, wie er ihn nannte, unter Deck und bot ihm einen Drink an. Dann machten sie es sich auf der Couch gemütlich, David auf der Couch auf der Steuerbordseite, Ben auf der Backbordseite. Die Gläser standen auf dem Tisch zwischen Ihnen, der mittig am Boden befestigt war und auf jeder Seite ein Klappelement hatte. Dann erzählte David die ganze Geschichte, von den merkwürdigen Anrufen, dem Besuch bei Matt in L. A. und der Ermordung von Alexas Familie, der Ermordung Alexas und seiner eigenen Gefangenschaft und Folter und wie er befreit wurde. Das ganze dauerte eine Weile, bis Ben verstand was passiert war.

„Aber was sollte das Ganze? Das leuchtet mir nicht ein. Was ist jetzt Lincoln 399?“

David beschrieb die Ereignisse von 1999. Die Kontaktaufnahmen des Kongressabgeordneten Gent und dessen Ermordung.

„Lincoln 399 ist ein Anagramm zur Adresse des Treffpunktes. Es muss also irgendetwas damit zu tun. Und es war so wichtig, dass Leute dafür getötet haben. Und es wurde nicht ein Killer geschickt, sondern eine ganze Truppe. Es war irgendetwas Großes und vielleicht ist es noch immer irgendetwas Großes. Mich verfolgt es offensichtlich bis heute. Dabei wollte ich mit diesem Leben abgeschlossen haben.“

„David, das ist nicht so einfach.“

„Ja, ganz offensichtlich nicht. Es ist jetzt 10 Jahre her. Ich wollte von der Gewalt loskommen. Ein neues Leben führen: Stattdessen wird alles nur noch viel schlimmer. Ich habe selbst grausame Dinge getan. Das bin aber nicht ich, das will ich nicht sein.“

„Zu leugnen was ich war, bedeutet, zu leugnen was ich bin.“

„Von wem hast du das denn? Konfuzius?“

Ben lachte kurz auf.

„Nein, der lebt lange vor meiner Zeit. Ein alter Freund von mir hat das mal zu mir gesagt.“

„Du mit deinen alten Geschichten. Du hast auf alles eine Antwort, oder?“

„So alt ist diese gar nicht. Du hättest ihn theoretisch kennen lernen können. Er lebte in Paris, bis 1993.“

„Und dann?“

„Und dann ist er gestorben, wurde ermordet, heimtückisch, nach fast 1950 Jahren.“

David, der mit seinem Glas in der Hand spielte, blickte auf.

“1950 Jahre? So jemand lässt sich doch nicht einfach umbringen.“

„Er war Priester und hatte seit Ewigkeiten geweihten Boden nicht verlassen.“

„Und warum dann damals.“

„Auch damals nicht. Das ist ne merkwürdige Geschichte.“

„Wie war sein Name.“

„Darius. Er hieß Darius.“

„Tut mir leid.“

„Ja, er war ein guter Mensch. David, du bestimmst zwar dein Leben, aber auf manche Dinge hast du keinen Einfluss. Du musst einfach das Beste daraus machen. Und manchmal bedeutet das auch, das man kämpfen muss. Und darin warst du schon immer gut, ob du das nun möchtest oder nicht. Weißt du noch wie wir uns das erste mal getroffen haben?“ David sah zu Ben herüber.

„Hm, wie könnte ich das jemals vergessen. So ein Verrückter mit Schwert ging auf mich los und faselte irgendetwas von es kann nur einen geben.“

Davids Blick glitt in die Ferne und vor ihm flackerten Erinnerungen auf. Erinnerungen die schon viele Jahre alt waren. Da waren diese dunklen Wände und es war nass.

 

 

April 1999, Los Angeles

David eilte durch eine nasse dunkle Gasse. Es war ein Uhr morgens. Er verlies nach einem langen Konzert das Gebäude und war auf dem Weg zu seinem Parkplatz, denn er hatte etwas abseits geparkt. So konnte er dem großen Verkehr nach der Veranstaltung etwas aus dem Weg gehen. Zugleich war es aber auch der einzige freie Parkplatz in akzeptabler Nähe, den er überhaupt gefunden hatte. Nun befand er sich auf dem Rückweg und freute sich auf eine geruhsame Nacht. Es regnete und es hatten sich bereits einige Pfützen in dem kaputten Asphalt gebildet. David beeilte sich, um nicht allzu nass zu werden. Als er die Hälfte der Strecke in der Gasse zurückgeleckt hatte durchlief ihn plötzlich ein Schauer, gefolgt von

einem heftigen Kribbeln, dass den ganzen Körper durchlief und immer stärker wurde. Immer neue Wellen, die sich wie kleine Stromstöße anfühlten brandeten in seinem Kopf.

David konnte nur die Silhouette eine Mannes wahrnehmen, die plötzlich aus einer Nische hervor sprang und ihn nieder schlug. David hustete, seine Gesicht war in einer Pfütze gelandet und er hätte beinahe Wasser geschluckt. Sein Blick richtete sich auf seinen Angreifer und er erwartete, das dieser eine Pistole ziehen würde. Aber stattdessen zog dieser Mann, der schwarze Lederkleidung und einen langen dünnen Mantel darüber trug ein Schwert aus diesem. Verdammt, das kann doch nicht sein. Was ist das denn für ne Scheiße, fluchte er innerlich, als der Unbekannte mit dem Schwert auf ihn zuschritt und mit der Waffe ausholte.

„Es kann nur einen geben.“, rief er mit seiner tiefen Stimme.

Sein Instinkt rettete ihn. Während der Kerl das Schwert nach unten sausen lies, rollte sich David zur Seite und rappelte sich blitzschnell auf.

„Was soll der Scheiß!“ rief er dem Typen entgegen, doch dieser antworte: „Dein Kopf gehört mir!“ und schlug mit dem Schwert erneut in Davids Richtung. Dieser wich rasch zurück und entkam so dem Hieb. Aber nun stand er im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Rücken zur Wand. Hinter ihm befand sich die Hauswand eines der Häuser, die die Gasse bildeten. Der Angreifer kam schnell näher David blieb nur die Flucht nach vorne. Für den Schwertschwinger nicht vorhersehbar, bewegte sich David auf ihn zu, als er gerade abermals mit dem Schwert ausholte um mit voller Wucht zuschlagen zu können. Das ist dein Fehler mein Freund, du setzt alles in die Kraft und nichts in die Technik. David behielt recht. Noch bevor der Fremde das Schwert auf ihn herabsausen lassen konnte, war David in seinem Kampfkreis. Jetzt hatte er alle Möglichkeiten, zumal der Angreifer ihn mit dem Schwert aus dieser Nähe nicht ernsthaft angreifen konnte. David drehte sich in den Schlag, packte mit der einen Hand das Handgelenk des Schwertkämpfers und mit der anderen das Schwert selbst. Noch in der Drehbewegung riss er es ihm aus der Hand und führte die Bewegung fort, so dass er ihn mit dem Schwertgriff an der Schläfe traf. Der Unbekannte ging zu Boden und David lies das Schwert fallen. Er packte ihn am Kragen.

„Wer zum Teufel bist du, und was sollte die Scheiße mit dem Schwert? Rede!“

Erneut durchfuhr ihn dieses unangenehme, kribbelnde Gefühl.

„Das ist Dax Morgan und er ist wie du und ich,…“, sagte eine fremde Stimme. David erschrak und blickte sich schnell um.

Hinter ihm stand ein weiterer Mann, ebenfalls mit einem Schwert in der Hand.

„Was zum Teufel…“, murmelte David.

„…unsterblich.“, beendete der andere Mann seinen Satz. „Aber das weißt du offensichtlich nicht. Ich bin Benjamin Benett und dieses Stück Abschaum ist meinetwegen hier.“

„Benett.“, stieß der Angreifer mit einem angewiderten Gesichtsausdruck hervor.

„Sieht so aus, als hättest du dich von einem Newcomer fertig machen lassen, Morgan.“

„Was Teufel wird hier gespielt?“, wollte David wissen der noch immer zwischen beiden stand, nun aber langsam zur Seite ging.

„Bist du fertig mit ihm….?“, fragte Benett nun David.

„Fox, mein Name ist Fox.“, sagte David schnell.

„Nun Fox, bist du, oder bist du nicht?

„Ja, ich bin fertig, mit der ganzen Scheiße hier bin ich fertig.“

„Das werden wir sehen, mein Freund.“, antworte Benett und mit einem sauberen Streich war Morgan erlöst.

David war einfach nur sprachlos. Da wurde gerade vor ihm ein Mensch enthauptet. Aber seine Fassungslosigkeit entwickelte sich zu unglaubwürdigem Staunen, als von der Leiche her eine Art Nebel, nur schwächer und wesentlich durchsichtiger aufstieg und sich zu Benett hin bewegte. Es hörte auf zu regnen und die Luft schien sich aufzuladen. Dann zuckten Blitze

durch die Nacht, trafen Scheiben, die zu Bruch gingen, eine Straßenlaterne wurde zerschmettert und alles schien sich auf Benett zu fokussieren. Die Blitze schlugen in ihm ein und er schrie auf. Aber waren es Blitze? Sie sahen viel lebendiger aus, als Blitze die David von einem Unwetter her kannte. Sie bewegten sich weniger zielgerichtet und eher auf Umwegen, so als seien sie lebendig und würden kriechen. Weitere Scheiben gingen zu Bruch und Benett lies sein Schwert fallen als ihn die Energie wieder durchfloss. Und nach ein zwei drei weiteren Blitzen war alles vorbei.

David stand da, nach wie vor sprachlos und wusste nicht, was er davon halten sollte.

„Weißt du was hier gerade passiert ist, Fox?“ fragte Benett keuchend mit einer angeschlagenen Stimme. David sagte noch immer nichts, aber Benett nickte. „Komm mit, ich erkläre es dir.“

 

„Huhu, David.“, Ben schnippte mit den Fingern. „Woran denkst du gerade?“

„Wie wir uns kennen gelernt haben.“

„Wunderbar, denn wie ich gerade sagte, du kannst nun mal hervorragend kämpfen. Und ich denke es wird dich immer wieder einholen, ob du möchtest oder nicht. Du musst akzeptieren wer du bist. Du bist unsterblich. Es ist deine Bestimmung zu kämpfen.“

„Ja, gegen andere Unsterbliche vielleicht, aber ich werde auch darüber hinaus immer in irgendwelche Geschichten hineingezogen. Und das bedeutet immer Gefahr für diejenigen, die mir was bedeuten.“

„Und was wirst du tun?“

“Was meinst du?“

„Na bezüglich Lincoln 399.“

„Ich weiss nicht. Ich habe keine Anhaltspunkte. Nichts. Zu dem Treffen ist es ja damals nicht gekommen. Gent ist tot. Und ganz ehrlich, ich weiss nicht, ob ich das nicht Ruhen lassen sollte, einen Schlussstrich ziehen, ein für alle mal.“

„Und das kannst du? Einfach so, nach allem was passiert ist?“

David schwieg, vermutlich hatte sein Freund recht. Vermutlich würde ihn die Geschichte sowieso früher oder später wieder einholen und wenn er so daran dachte, dass er Sarah besuchen wollte, dann wohl früher, als ihm lieb war.

 



 

 

 
 
   
 
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