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12. Verlorene Hoffnungen
In der Nacht vom 15. zum 16. April machten sich Männer, die meist nicht mehr als ein Stück Zwieback oder Brot zu sich genommen hatten auf den Weg zu Cumberlands Lager, das mehr als 15 Kilometer entfernt lag.
Der Plan den Murray und Duncan ausgeheckt war gut, aber die Männer, die ihn durchführen sollten, waren demoralisiert, hungrig und müde von den Strapazen der letzten Wochen. Mehrfach verloren sie in der Dunkelheit die Orientierung. Und als sich der erste Morgenschimmer am Firmament zeigte, waren sie noch immer mehr als 3 Kilometer vom Lagerplatz der Engländer entfernt. Der erhoffte Überraschungsangriff blieb daher aus. Sie marschierten zurück nach Culloden und kamen dort erst nach 7 Uhr an.
Duncan und Kyle sahen die völlig erschöpften Männer zurückkommen. Völlig kraftlos durch den ermüdenden Nachtmarsch, den fehlenden Schlaf und die mehr als magere Verpflegung, fielen sie an Ort und Stelle zu Boden und schliefen sogar auf der Straße ein. Vielfach wurden Stimmen laut und ein Murren durchzog die Reihen der Jakobiten. Manch einer beschwerte sich sogar in Gegenwart des Prinzen, was diesen zutiefst bedrückte.
„So weit ist es zwischenzeitlich schon mit uns gekommen.“ meinte Ash, der sich zu Duncan und Kyle gesellt hatte.
Duncan blickte nachdenklich auf das weitläufige und kahle Drumossie Muir hinaus, über das die Nebelschwaden zogen.
Es ist wie George Murray sagte, dachte er bedrückt. Das Kampfgelände hätte für Cumberlands Infanterie nicht besser sein können. Das offene Gelände würde es diesem erlauben seine Truppen so in Stellung zu bringen, dass er die Schotten von allen Seiten einkreisen konnte. Weiter nördlich an der anderen Uferseite des River Nairn war das Gelände hügelig. Das Geländer dort wäre ihrem Heer, das weites gehend aus Hochländern bestand und nur die Taktik eines verheerenden und ungebändigten Sturmangriffes beherrschte, mehr entgegengekommen. Dort hatte Murray kämpfen wollen, und dort hätten sie auch eine Chance gehabt den Sieg davon zu tragen. Doch der Prinz hörte im Moment nur noch auf den Iren O’Sullivan. Und dieser hatte als Austragungsort Drumossie Muir gewählt. Es gab kein Zurück mehr.
„Hier wird alles enden.“ meinte Duncan zu Ash, als sich die Sonne im Osten versuchte durch die Wolken und den Nebel zu kämpfen. Weitere Worte waren überflüssig. Duncan wendete sein Pferd und ritt zurück zum Lager. Er musste dafür Sorge tragen, dass alle die ihnen vorgeschriebenen Positionen einnahmen.
Die knapp 5.000 Männer, die sich in den frühen Morgenstunden des 16.April 1746 auf dem Drumossie Muir versammelten, waren müde, erschöpft ausgehungert, demoralisiert und hoffnungslos in der Unterzahl. Ihnen gegenüber stand das englische Heer des Duke of Cumberland, der über eine mehr als 9.000 Mann starke Armee verfügte. Und allen, die auf der Seite der Prinzen kämpften, war inzwischen klar geworden, dass die Chancen, die kommende Schlacht zu überleben, gleichen Null waren. Duncan kümmerte sich darum, dass die Artillerie besetzt wurde. Das Wenige, was noch an Lebensmitteln übrig war, wurde an die Truppen verteilt.
Mit Piken, Äxten, Gewehren und Sensen bewaffnet nahmen die Männer Aufstellung. Es waren MacGregors , Camerons, Chisholms, Drummonds, Frasers, Farquharson, MacDonalds, Macleans, Robertsons und noch einige andere Clans, die Stellung bezogen, nur noch gehalten durch den Glauben an die Sache, deretwegen sie sich im August des vergangenen Jahres zusammengeschlossen hatten. Charles Edward Stuart, der einen Tartan in den Farben der Stuarts und die Mütze mit der weißen Konkarde trug und mit einem leichten Schwert bewaffnet war, ritt die Reihen seiner Männer ab und versuchte diese zu ermutigen. Derweil in der Ferne schon die anrückenden Truppen des Feindes zu erkennen waren.
Charles, der beschlossen hatte, in der Schlacht das Kommando selbst zu übernehmen, befahl, dass sich die Infanterie in zwei Linien, die kleine und schwache Kavallerie hinten und seine erbärmliche – durch vorangegangene Gefechte – arg zusammengeschrumpfte Artillerie, die nur noch über dreizehn kleine Geschütze verfügte, in drei Batterien in der ersten Kampflinie aufstellen sollte.
Gegen 11 Uhr vormittags standen sich die beiden Armeen gegenüber. Das Schlagen von Trommeln war zu vernehmen. Die ersten Schüssen wurden aus den Kanonen und Gewehren der Jakobiten abgegeben. Sie wurde verheerend beantwortet, als William Bedford, der als Oberst im Heer der Engländer diente und für die Artillerie zuständig war, seinen Männern den Befehl gab das Feuer zu eröffnen. Die Kugeln aus den Waffen der Engländer fanden innerhalb von Sekunden ihren Weg zu Charles Edwards Stuarts Truppen und rissen riesige Lücken in die Reihen der Hochländer. Das Schlimme war, das diese nicht dazu in der Lage waren eine wirksame Antwort darauf zu geben. Minute um Minute verstrich und Belfords Geschütze donnerten weiter. Die Kanonen der Engländer schossen jetzt Kartäschen, die mit Nägeln, Bleikugeln und Schrott gefüllt waren. Auch die Infanterie diie in zwei Reihen vorrückte, feuerte mit tödlicher Präzision. Während eine Reihe ihr Gewehre wieder auflud, feuerte die andere. Es gab ein fürchterliches Gemetzel.
Man erzählte sich später, das Charles Männer heranstürmten wie die Berserker. Aber sie waren keine solchen, und ein Großteil von ihnen wurde noch vor Erreichen des Feindes von den Kanonenkugeln niedergemäht. Waren die Engländer in früheren Schlachten vor dem geballten Sturmangriff der Hochländer geflüchtet, so taten sie das jetzt nicht mehr. Sie hatten aus den Fehlern ihrer Vergangenheit gelernt. Trotz allem gelang es den Schotten immer wieder nach vorn zu drängen. Mit den ihnen zur Verfügung stehenden Waffen versuchten sie sich der Übermacht der Engländer zu erwehren. Doch nur am rechten Flügel gelang der Durchbruch. Allerdings mussten die Männer dort erst über Tote und Verwundete klettern um den Feind zu erreichen. Für einen Moment sah es tatsächlich so aus, als würde die geballte Kraft die Reihen von Cumberlands Infanterie auseinander sprengen können. Doch die zweite Reihe hielt dem Angriff stand und schoss unermüdlich auf die Heranstürmenden. Männer über Männer wurden tödlich getroffen und fielen zu Boden.
Unzählige Gewährsalven trafen auch auf Duncans Schild, den er zum Schutz vor seinen Körper hielt, als er, über Tote und und Verwundete hinwegkletternd, versuchte, in die Reihen der Engländer vorzudringen. Seine Augen brannten von dem Rauch, der ihm zudem die Sicht vernebelte. Unbeirrbar schlug er auf alle Engländer ein, die sich ihm in den Weg stellten, und so gelang es ihm tatsächlich, sich den Weg in die hinteren Linien von Cumberlands Dragonern frei zu kämpfen. Erst von seiner jetzigen Position aus, konnte Duncan das ganze Ausmaß des Kampfes und das vorherrschende Chaos erkennen.
Zwar hatte die rechte Seite der Jakobitenarmee die Linie der Dragoner durchbrochen, aber überall sonst hatten die Engländer die Oberhand behalten. Die MacDonalds, die die linke Flanke gebildet hatten, musste schreckliche Verluste hingenommen haben, als sie versucht hatten, die Dragoner durch kurze Anstürme zu einem Gegenangriff zu animieren. Doch diese hatten ihre Stellung behauptet und die Schotten gnadenlos unter Beschuss genommen.
Duncan, der sich derweil umgewandt hatte, um sich zu den kläglichen Überresten der MacDonalds durchzukämpfen, sah er plötzlich Kyle auf dem Schlachtfeld stehen, der - völlig auf sich allein gestellt - versuchte mit vier englischen Soldaten fertig zu werden. Mac eilte ihm sofort zur Hilfe. Noch im Laufen zog er den an seinem Gürtel befestigten Dolch aus seine Halterung und warf diesen in Richtung eines der Dragoner. Er verfehlte sein Ziel nicht. Mitten ins Herz getroffen, sank einer der vier Angreifer zu Boden und blieb dort regungslos liegen.
Es gab nur noch hier und da kleinere Scharmützel. Nach wie vor kämpften die Jakobiten. Doch war dies ein verzweifelter und erbitterter Kampf. Immer weiter wurden sie über das dunkle Hochmoor zurückgedrängt, dass über und über mit Toten und Verwundeten übersät war.
Die Reihen der Männer auf der rechten Seite, die bisher als einzige noch ihre Stellung hatten halten können, wurden nun ebenfalls durchbrochen und von den Rotröcken überrannt.
O’Sullivan, der sich für die Auswahl dieses so katastrophalen Schauplatzes verantwortlich zeigte, meinte nur: „Es geht alles zum Teufel.“ Dies war zwar in keiner Weise militärisch ausgedrückt, traf jedoch genau den Punkt der Sache.
Der Prinz wurde – völlig verwirrt, unendlich erschüttert und den Tränen nahe über die Geschehnisse – samt seines Pferdes vom Schlachtfeld geführt. Er wusste genau, dass er heute nicht nur eine Schlacht verloren hatte. Seine Träume von einem freien Schottland und der Regentschaft seines Vaters waren damit unwiderruflich verloren.
******
Von diesen ganzen Geschehnissen bekamen Duncan und Kyle nichts mit, da sie noch immer – Seite an Seite – um ihr Leben kämpften. Kyle war an der Brust von einem Säbelhieb getroffen worden, schien die vor Blut starrende Wunde aber nicht zu bemerken, als er wieder und wieder mit dem Schwert auf den Angreifer direkt vor sich einschlug. Nur zwei Meter neben ihm war es Duncan soeben gelungen einen weiteren Gegner zu bezwingen. Kyle drehte sich um und durchbohrte durch einem gekonnten Dreh seines Schwertes den letzten der vier Engländer. Nachdem beide kurz Luft geholt hatten, liefen sie über das völlig verwüstete Moor, um sich, wenn irgend möglich, in Sicherheit zu bringen.
Nach Atem ringend blieben sie wenige Zeit später in unmittelbarer Nähe des Schlachtfeldes stehen und betrachteten das Chaos rings um sich herum.
„Sie haben uns vernichtet.“ rief Kyle.
Duncan betrachtete mit vor Schrecken geweiteten Augen das Blutbad, dass hier angerichtet worden war. Er hatte in seinem unsterblichen Leben ja schon vieles gesehen, aber dies hier übertraf seine schlimmsten Alpträume. Es war ein Anblick den er niemals wieder vergessen würde. Überall auf diesem endlos scheinenden weitem Moor waren verstümmelte, aufs Übelste zugerichtete und nach verbranntem Fleisch stinkende Körper zu sehen und fast alle waren Männer aus Charles Armee. Mac konnte nur vereinzelt einen roten Rock zwischen den Leichen ausmachen.
„Gott sei uns gnädig.“ drang es leise von seinen Lippen.
Als sie die Straße eine Stück weiter hinunter gelaufen waren, sah Kyle wie einer der Rotröcke dabei war, einen bereits toten Schotten zu verstümmeln. Mit einem Schrei stürzte er sich auf diesen.
„Kyle. Es reicht“, sagte Duncan und zog ihn von dem toten Dragoner fort. „Wir können hier nichts mehr tun. Der Kampf ist verloren. Die Sache für die wir gekämpft haben, gibt es nicht mehr.“
Doch Kyle war nicht zu bändigen. Mit erhobenem Schwert stand er bereit, um den nächsten Engländer der ihnen über den Weg laufen sollte, niederzumetzeln.
„Komm wieder zur dir, Kyle. Wir müssen nach Glenmhor und deine Familie warnen.“
Durch die Erwähnung seiner Familie wurde Kyle aus seiner Raserei zurückgerufen.
„Gillian…, Mutter…. Du hast Recht, Mac.“ stammelte er.
Ihre Schwerter in der Hand haltend liefen sie weiter. Und selbst hier, mindestens zwei Kilometer von Drumossie Muir entfernt, waren noch immer die Schüsse aus den Gewehren zu hören. Fast hatten Duncan und Kyle den schützen Hügel erreicht, hinter dem sich das Lager der Jakobiten befand, als direkt neben ihnen ein Kugel vorbeipfiff. Duncan, der sich auf der Suche nach dem Angreifer umblickte, bemerkte jedoch zu spät den englischen Soldaten der seine Muskete zwischenzeitlich nachgeladen hatte und auf Kyle zielte. Da ihm keine Zeit mehr blieb, Kyle aus der Schusslinie zu bringen, stieß er einen Schrei aus. Doch zu spät. Die Kugel hat ihr Ziel bereits gefunden und traf seinen Freund im Schulterbereich. Unmittelbar darauf spürte er selbst den Einschlag einer Kugel in seinem Körper und fiel direkt neben Kyle zu Boden – auf einem unbefestigten Weg und in der Nähe jenes Ortes von Drumossie Muir, der später unter dem Namen Culloden in die Geschichte eingehen sollte…
******
Die Einwohner von Maclean-House hatten derweil einen ganz anderen Kampf auszutragen. Als auf Drumossie Muir der erste Schuss einer Kanone abgegeben worden war, lag Gillian schon seit mehr als zwei Tagen in den Wehen. Diese kamen jetzt in einem zeitlichen Abständen von weniger als zwei Minuten, und waren so stark, dass Gillian sich immer wieder vor Schmerz krümmte und laut aufschrie.
Die Haushälterin Emma Wilkes, die als Hebamme fungierte und auch schon den anderen Kindern der Macleans auf die Welt geholfen hatte, legte weitere Holzscheite in den Kamin um für eine konstante und gleichwarme Temperatur im Zimmer zu sorgen.
Ein Hausmädchen brachte gerade warmes Wasser und Tücher für die bevorstehende Geburt in das Schlafzimmer, in dem Gillian einquartiert worden war.
„Sie ist so ein zierliches kleines Ding.“, merkte Mrs. Wilkes an. „Es wird mit Sicherheit keine leichte Geburt werden.“
Catherine und Fiona, die sich ebenfalls im Raum aufhielten, sprachen beruhigend auf Gillian ein Catherine kühlte ihr mit feuchten Tüchern das Gesicht. Fiona, die auf der anderen Seite des Bettes saß, hielt Gillian die Hand.
„Kyle“, rief Gillian. „Ich möchte, dass Kyle hier bei mir ist.“
„Kyle kann nicht hier bei dir sein.“, sagte Serena. „Du weißt doch, dass er an der Seite des Prinzen kämpft. Ich bin mir aber sicher, dass er bald nach Hause kommen wird. Und nun tu wie man dir geheißen und ruhe dich zwischen den Wehen ein wenig aus. Du wirst noch genügend Kraft brauchen, um dein Kind auf die Welt zu bringen.“
„Ich werde es versuchen, Fiona. Aber wieso dauert es nur so lange. Ist mit dem Baby etwas nicht in Ordnung? Sagt es mir. Bitte!“ flehte sie und blickte in die Runde.
Catherine und Fiona schauten Emma Wilkes an.
„Ich bin mir nicht sicher, sagte diese „aber ich glaube das Kind liegt verkehrt herum. Ich vermute, dass es eine Steißgeburt werden wird.“
„Werde ich bei der Geburt sterben, Mrs. Wilkes?“
„Nicht, wenn ich es verhindern kann. Ich weiß, was zu tun ist. Aber Ihr müsst Euch genau an meine Anweisungen halten.“
„Das werde ich tun. Nur versprecht mir, egal, was auch immer passieren mag, lasst mein Kind nicht sterben. Ich will eher mein Leben für das seine opfern.“
„Euer Kind wird leben und ihr auch.“ schwor Emma Wilkes.
******
Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, als Catherine, Fiona und Emma Wilkes erschöpft und bis zum Umfallen müde, am frühen Abend vor der Eingangstür von Maclean-House standen, um die frische Luft einzuatmen. Es gab Kriege, die nur Frauen im Begriff waren zu bestreiten, und einen ebensolchen hatte sie vor wenigen Stunden gewonnen. Fast drei Tage hatte es Gilian gekostet, ihre beiden Kinder zur Welt zu bringen. Der Junge, der den Namen seines Großvaters tragen sollte, war, wie Emma Wilkes vorausgesagt hatte, mit den Füßen zuerst zur Welt gekommen. Gillians Schmerzen waren unerträglich gewesen, aber mit der Unterstützung ihrer Schwiegermutter, ihrer Schwägerin und vor allem dank der Hilfe von Mrs. Wilkes war es gelungen, das Kind aus ihrem Leib herauszubringen. Sie hatte geschrien. Vielleicht mehr aus Angst davor, dass das Kind tot zur Welt kommen könne, als vor den unsagbaren Schmerzen, die eine Steißgeburt mit sich brachte. Als die Haushälterin ihr die Geburt eines gesunden Jungen verkündete und ihr den Kleinen an die Brust legte, war Gillian unendlich erleichtert und die Schmerzen schon wieder ein wenig in der Hintergrund gerückt. Doch viel Zeit zum Luftholen blieb ihr nicht. Plötzlich bäumte sich von erneuten Schmerzen gepeinigt auf und schrie: „Irgendetwas muss nicht in Ordnung sein. Nein!!!“
Emma Wilkes die sich gerade die Hände gesäubert hat, eilte sofort herbei und tastete Gilians Bauch ab. Trotz der anspannten Lage die im Raum herrschte, musste sie schmunzeln. „Macht euch keine Sorgen, Gilian. Scheinbar hat sich hinter dem kleinen Burschen noch jemand versteckt, und derjenige möchte nun auch auf die Welt kommen. Dieses Mal dürftet ihr nicht so viel Mühe damit habe, das Kind aus Eurem Leib herauszupressen. Das Baby liegt richtig herum.“ meinte sie.
„Und nun presst noch einmal kräftig. Ich glaube, da hat es jemand ziemlich eilig, das Licht der Welt zu erblicken, ich kann nämlich schon das Köpfchen sehen.“
Fiona, die sich hinter ihre Schwägerin und Freundin gesetzt hatte und ihr damit den entsprechenden Halt für eine leicht sitzende Position geboten hatte, rief: „Pressen, Gillian Pressen! Du hast es gleich geschafft.“
Gillian bäumte sich ein allerletztes Mal auf und schrie ihren Schmerz hinaus. Ihr Schrei war noch nicht einmal verklungen, als bereits ein sanftes Wimmern zu hören war.
Catherine säuberte das Baby und sagte, als sie Gillian das kleine Geschöpf hinüberreichte: „Hier hast du deine kleine wunderschöne Tochter.“
„Und hier ist Euer Sohn, Mylady.“ sagte Emma Wilkes und legte ihr den kleinen Jungen in den anderen Arm.
„Du kannst stolz auf das sein, was du hier heute geleistet hast, Gillian“, sagte Fiona. „Colin wird sicher hocherfreut darüber sein, dass du ihm nicht nur den ersehnten Stammhalter geboren hast, sondern auch noch eine so hübsche kleine Tochter.“
Gillian lächelte. Dann bat sie Catherine, ihr die beiden Kinder abzunehmen und in die Wiege zu legen. Sie war restlos erschöpft von dem großen Blutverlust und den Strapazen der Geburt und wollte nur noch schlafen. Kaum dass man ihr die Babys abgenommen hatte, war sie in einen tiefen traumlosen Schlaf der Erschöpfung gefallen.
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Zwischenzeitlich hatte Dunkelheit das Land ringsumher eingehüllt. Nebelschwaden durchzogen das Tal von Glenmhor. Irgendwo in der Ferne waren die Schreie eines Uhus zu hören. Catherine und Emma Wilkes hatten sich bereits vor längerer Zeit in das Haus zurückgezogen. Nur Fiona hatte beschlossen, noch eine kleine Weile die Ruhe zu genießen. Nach den Anstrengungen der letzten Tage war dies Balsam für ihre Seele. Obwohl sie doch ziemlich durchgefroren war, hatte sie jetzt noch nicht das Verlangen ins Haus zurückzukehren. Sie rieb gerade ihre Arme, um damit ihre Blutzirkulation in Schwung zu bringen, als sie eine Stimme leise ihren Namen rufen hörte.
„Wer ist da?“ rief sie in Dunkelheit hinein.
„Ich bin es, Fiona. Robert. Robert MacKenzie.“ sagte der junge Mann und kam langsam auf sie zugehumpelt.
„Was ist geschehen?“ fratge sie, nachdem sie in von oben bis unten gemustert hatte und feststellen musste, dass seine Kleidung von Schmutz und Blut nur so verklebt war.
„Die Engländer haben uns auf Drumossie Muir vernichtend geschlagen. So viele von uns sind tot. Es dürften unzählige Hunderte gewesen sein, die von den Engländern niedergemetzelt wurden.
„Was ist mit Kyle und Duncan?“
„Ich habe keine Ahnung.“ sagte er mit gebrochener Stimme.
„Meine drei älteren Brüder und mein Vater sind ebenfalls tot. Ich musste mit ansehen, wie sie von den Dragonern Cumberlands umgebracht wurden. Auch der erst 15 Jahre alte William Fraser ist nicht mehr am Leben.“ Das blanke Entsetzen war in den Augen des jungen Mannes zu erkennen. „Sogar als wir uns zurückzogen, um zu flüchten, sind sie hinter uns her und haben weiter gemordet. Sie haben nicht mal vor Frauen und Kinder halt gemacht. Zudem habe ich mitansehen müssen, wie sie Schotten die verwundet auf dem Schlachtfeld lagen einfach erschlugen oder erschossen. Diejenigen von uns, die überlebt haben, konnten nur noch ihr Heil in der Flucht suchen.“
„Wann war die Schlacht?“
„Gestern.“ antwortete Robert.
„Werden sie nach Glenmhor kommen, Robert?“
„Ich denke schon. Sie jagen uns. Und denjenigen, denen sie habhaft werden können, wird es schlecht ergehen.“
„Warst du schon bei deiner Mutter im Dorf?“
„Nein. Ich schrecke davor zurück, ihr die Nachricht vom Tod ihres Mannes und dreien ihrer Söhne überbringen zu müssen. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich es ihr sagen soll.“ Er schüttelte den Kopf.
„Dann sage ihr einfach, dass die vier im Kampf für den rechtmäßigen König Schottlands, James VII., gefallen sind. Anschließend nimmst du sie und trommelst die anderen Bewohner des Dorfes zusammen. Gemeinsam werdet ihr euch auf den Weg nach Bhealaich machen und zu den Farquharson gehen. Die Engländer werden hier niemanden mehr antreffen, dem sie irgendein Leid antun können. Und nun geh Robert. Tu, was ich dir geheißen habe. Schnell.“
Fiona kehrte ins Haus zurück.
„Mutter“, sagte sie und nahm deren Hand. „Wäre Gillian transportfähig?“
„Wieso fragst du mein Kind?“
„Ich habe draußen gerade mit Robert MacKenzie gesprochen. Es hat eine furchtbare Schlacht in der Nähe von Inverness gegeben. Charles Edward Stuarts Armee wurde vernichtend geschlagen. Robert erzählte mir, dass die Engländer sogar so weit gehen die Überlebenden dieses Gemetzels zu jagen und zu töten, wenn sie ihrer habhaft werden.“
„Was ist mit Kyle und mit Duncan?“
„Darüber konnte mir Robert keine Auskunft geben.“
„Wir müssen gehen und uns verstecken, Mutter. Hier sind wir nicht mehr sicher. Oder hast du bereits vergessen, was erst im vergangenen Jahr passiert ist.“
„Wie könnte ich diese Sache jemals vergessen.“
„Das damals war nur ein Rotrock. Wenn die Engländer hier auftauchen, werden es nicht nur drei oder vier sein, sondern wahrscheinlich ein ganzes Batallion. Und sie werden uns alle töten, sogar Gillian und die beiden Babys.“
„Ich verstehe. Aber wohin sollen wir gehen?“
Brian und ich haben schon vor etlichen Wochen eine Höhle weit oben in den Bergen mit allem bestückt, was zum Überleben nötig ist. Dorthin werden wir gehen.“
„Was wird mit den Bewohnern des Dorfes geschehen?“
„Ich habe Robert gebeten, alle zusammenzubringen und dann nach Bhealaich zu den Farquharsons zu gehen. Dort werden die Engländer mit Sicherheit nicht auftauchen, dazu ist das Gelände um Dragonheart Castle viel zu unwegig und zu weit weg. Und da wir aufgrund von Gillians derzeitiger gesundheitlicher Verfassung und auch der Babys wegen eine solch strapaziöse Reise vorerst nicht in Angriff nehmen können, werden wir in die Berge gehen. Ruf alle Hausbewohner zusammen. Wir müssen Rat halten.“
„Ich werde mich darum kümmern.“ sagte Catherine und machte sich auf den Weg in die oberen Räume des Hauses.
Wenig später saßen fünf Erwachsene in der Küche bei einer Tasse Tee denen Fiona erzählte, was Robert MacKenzie ihr an Neuigkeiten mitgeteilt hatte.
© Norina Becker (März 2010)
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